Auf Nachtbesuch bei der Kirche
Tanzen statt Stillsitzen, Zelten unterm Himmelsdach, Geschichten lauschen im Turm: Die «Lange Nacht der Kirchen» vom 2. Juni wird ein ökumenischer Grossanlass. Die Idee: Kirche einmal anders erleben.
Eins von vielen «Lange Nacht»-Teams: In Escholzmatt gehören (von links) Markus Stalder, Karin MacKevett, Martin Walter und Vroni Wüthrich zum Team. Nicht auf dem Bild ist Renate Muff. Bild: Dominik Thali
Im Pastoralraum Emmen-Rothenburg etwa gibt es einen Pilgerweg von Kirche zu Kirche mit Musik, Speis’ und Trank unterwegs. «Entlang den Orten, welche die beiden Gemeinden verbinden», sagt der reformierte Pfarrer Andreas Baumann. Franziska Stadler, katholische Pfarreiseelsorgerin in Rothenburg, spricht von einem «Miteinander im Team»; für ihre Kollegin Ulrike Zimmermann von der Pfarrei Bruder Klaus in Emmenbrücke ist die «Lange Nacht» eine Gelegenheit, den Zusammenhalt im Pastoralraum zu stärken. Gabi Kuhn schliesslich, Seelsorgerin im «Mauritius» Emmen, freut sich darüber, wie die Kirche «Menschen mit so verschiedenen Talenten» zusammenbringt.
Kirchliche Energiewende
So läuft das vielerorts, wenn die Kirche ruft – und es nicht um den Sonntagsgottesdienst geht. Auch im oberen Entlebuch. «Alle fanden, das sei eine super Sache, als wir sie anfragten», sagt Karin MacKevett vom Pfarreirat Escholzmatt und hebt die Zusammenarbeit mit der reformierten Kirchgemeinde hervor. Die katholische Kirche wird so einen Abend lang zum ökumenischen Konzerthaus. Von Rock’n Roll bis Betruf: Das Programm packt alle.
Im reformierten Kirchenzentrum Littau-Reussbühl heisst das: «Eine andere Energie in die Räume bringen», wie Pfarrerin Anja Kornfeld sagt. Sie stellt mit ihremTeam eine Tanznacht auf die Beine.
Die «Lange Nacht der Kirchen» am ersten Juni-Freitag bringt Menschen zusammen und lädt sie ein. Zum Essen zum Beispiel. «Das verbindet und ist Zeichen der Zusammengehörigkeit», sagt Karin Walker, Kirchenrätin in Knutwil-St. Erhard. Märchen und Musik sind hier angesagt. Motto: Sich die Seele verzaubern lassen.
Ein Familienanlass: fröhliche Kinder an der «Langen Nacht» 2021 im Kanton Aargau. | Bild: Markus J. Hässig
Frühstück in der Kathedrale
Da darf es auch spät werden. Wie in der Kirche Menznau. Wer dort nach der letzten Geschichtenstunde auf dem Estrich noch nicht genug hat, genehmigt sich an der Pfarrhausbar einen Kirchendrink.
Wirklich lang wird die «Lange Nacht» freilich erst dann, wenn es nach dem «spät» auch «früh» werden darf. Im reformierten Kirchenzentrum Gunzwil führt der «Nachtexpress» deshalb auch einen Schlafwagen mit. Lichterlöschen ist dort nach dem «Schreckmümpfeli» kurz vor Mitternacht. Die Ruhe wird allerdings nur von kurzer Dauer sein. Pfarrerin Hannah Treier kündigt «ein Erwachen mit den Vögeln und eine Morgenandacht in der Waldkathedrale ob Beromünster» an. Zmorge inbegriffen. Frühbucher-Rabatt gibt's keinen. An der «Langen Nacht» ist (mit wenigen Ausnahmen) ohnehin alles kostenlos.
«Eine verrückte Idee»
Himmlisch behütet nächtigen – nach der Filmnacht in der Kirche mit Wunschprogramm – darf man auch in Zell. Im eigenen Zelt, dafür wird eigens die Wiese zwischen der Kirche und dem Schulhaus gemäht. «Eine etwas verrückte Idee», räumt Kirchgemeindepräsidentin Veronika Blum ein. «Aber auch ein einmaliges Erlebnis, gerade für Familien.» Was Blum und ihr Team möchten: Gemeinschaft sichtbar machen, tolle Ideen umsetzen, neue Zugänge zur Kirche ermöglichen.
Kirchenentwicklung – express
Dies schreibt sich auch Nebikon auf die Fahne. «Die Kirche muss zu den Menschen», sagt Ursula Grob von der organisierenden Spurgruppe. Über der Kirche Nebikon und dem Kirchplatz mit der grossen Linde schweben am Abend des 2. Juni Heerscharen von Engeln. In einem Atelier können welche modelliert werden, es gibt Engelsgeschichten zu hören und im Engels-Bistro serviert, klar doch, Himmelpersonal.
Kaum mit Engelszungen sprechen wird hingegen das Improtheater «OhneWiederholung» in Adligenswil». Hier wird dafür Kirche entwickelt, ohne lange zu fackeln. «OhneWiederholung» schlüpfe «mit grosser Spontanität in das Kirchenleben» und wickle «das Publikum ruckzuck um den Finger», heisst es in der Ausschreibung.
Sie haben für Emmen-Rothenburg ein tolles Programm zusammengestellt (von links): Franziska Stadler, Ulrike Zimmermann, Andreas Baumann und Gabi Kuhn. | Bild: Dominik Thali
Das Leben aufmischen
Mitreden in Sachen Kirchenentwicklung könnte auch Priorin Irene Gassmann vom Kloster Fahr, die man in der Kirche Dagmersellen beim «Talk an der Bar» trifft. Die Benediktinerin, die aus dieser Pfarrei stammt, dürfte mit dem ökumenischen Team der Citypastoral in Luzern einig gehen, wir müssten das Leben und die Kirche immer mal wieder neu aufmischen. «S Läbe ufmische»: So heisst die Bar vor der Peterskapelle mit Blick auf die Reuss. .
Wer jetzt denkt, es gebe gar viele Theken und Tische an diesem Abend: stimmt. Aber passt auch. Die «Lange Nacht» will schliesslich, wie es in der Auschreibung heisst, nicht nur Erlebnis, sondern auch «Plattform für den Austausch von Meinungen und Erfahrungen» sein. «Da sind Begegnungen und Gespräche der Kern», sagt die Dagmerseller Pfarreiseelsorgerin Katharina Jost.
Was die «Lange Nacht» ist
Die «Lange Nacht der Kirchen», eine Idee aus Österreich, gibt es seit 2016 auch in der Schweiz, angestossen vom Kanton Aargau. Als Luzern 2020 und 2021 einsteigen wollte, machte Corona einen Strich durch die Rechnung. Dieses Jahr klappt’s. Von Hitzkirch bis ins Entlebuch, von Meierskappel bis Zell: Rund 100 katholische Pfarreien, reformierte Kirchgemeinden, die christkatholische Kirche, Organisationen und Freikirchen sind am 2. Juni dabei.
Die «Lange Nacht der Kirchen» sei eine Möglichkeit, neue Erfahrungen zu machen, erklären die Veranstaltenden. «Tradition und Experiment, Gewohntes und Ungewohntes – alles hat hier Platz.»
Eintritt überall frei | Programme auf langenachtderkirchen.ch