Damit am grossen Tag auch die Kordel sitzt
Sie messen, flicken, helfen bei der Probe und sind am Weissen Sonntag präsent: Frauen, die für die Kleider der Erstkommunikant:innen verantwortlich sind. Wir waren bei einer Anprobe in Sempach dabei.

Gefällt es euch? Esthi Vogel, in der Pfarrei Sempach mit für die Erstkommunionkleider zuständig, mit Nuria und Yannick vor der Anprobe. | Bild: Roberto Conciatori
«Du kannst hineinschlüpfen wie in einen Mantel», sagt Brigitte Hüsler. Sie hilft der Drittklässlerin Nuria bei der Anprobe, damit das Kleid für die Erstkommunion richtig sitzt. Hüsler schliesst alle Druckknöpfe – «es sind mega viele» – und zupft den Kragen zurecht. Ihre Kollegin Esthi Vogel bindet Nuria die Kordel um den Bauch und knotet sie. Dann legt sie ihr das Holzkreuz um den Hals und Brigitte Hüsler setzt ihr das weisse Kränzchen auf den Kopf. «Das Gummiband soll nicht unters Kinn. Am besten versteckst du es im Haar und befestigst es zusätzlich mit Haarspängeli», rät sie.
Druckknöpfe versetzen
Während Esthi Vogel das Kleid von hinten noch etwas büschelt, betrachtet sich Nuria im Spiegel. «Gefällst du dir?», fragt sie. Nuria nickt. Brigitte Hüsler fällt jedoch auf, dass es den Kragen an den Spitzen nach oben zieht. Sie wechselt ihn durch einen Ersatzkragen aus. «Viel besser!», sagt sie sichtlich erfreut. Den fehlerhaften Kragen nimmt sie nach Hause, um den Druckknopf etwas zu versetzen.
Zahlen rückläufig
Brigitte Hüsler und Esthi Vogel sind in der Pfarrei Sempach für die Erstkommunionkleider verantwortlich, seit über zehn Jahren. Vom Massnehmen bis zur Rückgabe der Kleider nach Fronleichnam und der anschliessenden Reinigung ist viel Logistik erforderlich: Nachdem Katechetin Marlies Fuhrimann die Daten mitgeteilt hat, werden die Kinder durch die Kleiderfrauen gemessen, um ihre Kleidergrösse zu ermitteln. «Wir haben 100 Kleider. Die Zahl der Erstkommunikant:innen ist rückläufig: In den letzten Jahren waren es zwischen 35 und 40 Kinder, darum müssen wir keine Kleider mehr ändern. Wir haben sogar einige extra breit geschnittene Kleider», erzählt Esthi Vogel. Die Kinder bekommen auf einem Blatt mitgeteilt, wann sie wo sein müssen, die Anprobe erfolgt nach einem eng getakteten Stundenplan: Alle 15 Minuten werden die Kinder in Dreier- oder Vierergruppen in der Sakristei vom Ankleideteam in Empfang genommen.
«Es kommt immer wieder vor, dass Kinder am Weissen Sonntag das Kleid verkehrt herum anziehen, deshalb sind wir zur Kontrolle vor Ort», erzählt Brigitte Hüsler. Auch das Anlegen des Kragens bereite immer mal wieder Schwierigkeiten. Hinzu kommen naturgegebene Herausforderungen: In den drei Wochen, die zwischen der Anprobe und dem Weissen Sonntag liegen, wachsen die Kinder manchmal noch bis zu drei Zentimeter. «Wir haben auch schon mal kurzfristig am Tag selber ein anderes Kleid geholt», erzählt Hüsler. An Fronleichnam, wenn die Erstkommunikant:innen ihr Kleid ein zweites und letztes Mal tragen dürfen, hätten die meisten «Hochwasser», fügt sie schmunzelnd an.

Weil sie Kinder gernhaben: Aus diesem Grund investieren Brigitte Hüsler (rechts) und Esthi Vogel viel Zeit in die Anprobe, hier mit Nuria. | Bild: Roberto Conciatori
Strahlende Kinderaugen
Im Kanton Luzern ist die Verantwortung für die Erstkommunionkleider komplett in Frauenhand, wie eine Umfrage unter den Pfarreien offenbart. Oftmals ist es eine Gruppe des Frauenvereins, die sich darum kümmert, Sakristaninnen sind involviert, Schneiderinnen oder nähfreudige Pfarreimitglieder und ganz viele weitere Freiwillige. Die Antworten zeigen, dass die Frauen mit viel Herzblut und Liebe zum Detail dabei sind: «Ich achte darauf, dass alle Kinder ungefähr gleich lange Kleider tragen. Es sieht beim Einzug der Kinder geordneter aus», schreibt eine Freiwillige aus Aesch. In Winikon beschriftet die ehrenamtliche Kleiderfrau jedes Kleid mit einem liebevollen Grusskärtchen. «Grandios ist auch, dass jeweils an der Erstkommunion und an Fronleichnam die Kleiderfrauen vor Ort sind. Sie schauen, dass die Kleider richtig getragen werden und die Kordeln fachmännisch gebunden sind», schreibt eine Katechetin aus Rain.
Nach der Motivation gefragt, sagen
die meisten schlicht, sie hätten Kinder gerne. Zwei Freiwillige aus Triengen bringen es wohl für viele auf den Punkt: «Am Tag der Erstkommunion die strahlenden Kinderaugen zu sehen, ist unser ganzer Lohn» – wobei einige auch materiell entlöhnt werden.

Brigitte Hüsler (links) bei der Anprobe mit Nuria, Esthi Vogel mit Yannick.| Bild: Roberto Conciatori
Erste und letzte Kommunion
Dass Kinder am Weissen Sonntag oft zum ersten und letzten Mal Kommunion feiern, schmerzt die Kleiderfrauen wie die Katechet:innen. «Der Sonntag wird immer mehr zum Familientag, da hat es für einen Gottesdienstbesuch wenig Platz», erklärt Katechetin Marlies Fuhrimann. «Ausser wenn die Kinder aktiv beteiligt sind wie etwa bei Krippenspielen, dann sind sie dabei. Und wenn man die Kinder motivieren kann, kommen auch die Familien!»
Keine blinkenden Schuhe
Bei der Anprobe in Sempach ist inzwischen Yannick dran. Das Kleid sitzt perfekt, aber die Ärmel sind etwas lang. «Die kannst du einfach umelitze», sagt Brigitte Hüsler und zeigt vor, wie das geht. Esthi Vogel macht ihn auf seine dunklen Turnschuhe aufmerksam, sie sollten am Weissen Sonntag heller sein. «Sie brauchen nicht weiss zu sein, aber leuchtende Farben oder blinkende Schuhe lieber nicht», sagt sie lachend. Sie zeigt nochmals auf die Kordel, die schon vorgeknotet ist und nur noch ange-
zogen werden muss. Dann legt sie das Kleid in die grosse mitgebrachte Tasche. «Bitte zuhause das Kleid möglichst rasch herausnehmen und aufhängen, damit es nicht chrügelet», empfiehlt Hüsler.

Brigitte Hüsler (links) und Esthi Vogel passen Yannicks Erstkommunionkleid an. | Bild: Roberto Conciatori
Aus Fahr, Stans und Wil
Die Kleider für die Erstkommunikant:innen im Kanton Luzern stammen aus unterschiedlichen Ateliers, wie eine Umfrage zeigt. Manche wurden von einer Schneiderin vor Ort genäht, andere vom Frauenbund, einige kommen aus den Klöstern Fahr AG und Gubel ZG, aus dem Atelier Schnittpunkt in Stans und in einem Fall sogar aus einem Atelier in Bergamo (I).
Die meisten Kleider wurden jedoch von der Firma Heimgartner Fahnen AG in Wil SG hergestellt. Diese Kleider sind aus Leinen, Wolle-Trevira oder aus Viskose-Polyester. Je nach Modell wird unterschiedlich viel Stoff gebraucht. Darum kostet ein Kleid zwischen 430 und 600 Franken. Bei guter Pflege und lockerer Aufbewahrung bleiben sie weit über zehn Jahre ansehnlich.