Darüber reden, wie viel zu viel ist
Fastenzeit schon im Januar? Die Aktion «Dry January» lädt ein, einen Monat auf Alkohol zu verzichten. Eine gute Idee, findet die Fachstelle Klick. Sie stellt fest: Viele ältere Menschen trinken zu viel.
Aus dem einen Glas vor dem Fernseher wird leicht mehr. Der «Dry January» ruft dazu auf, im Januar mit dem Alkohol zu pausieren. Bild: Gregor Gander
«Alkoholprobleme sind immer noch ein Tabuthema. Betroffene wie Angehörige schämen sich. Und viele wissen nicht, dass es Hilfe gibt oder wollen sich keine holen», sagt Ruedi Studer. Er ist Geschäftsführer von Klick, der Fachstelle Sucht Region Luzern, die Personen mit einem auffälligen Konsumverhalten kostenlos berät.
Studer kommt dabei vermehrt mit älteren Menschen in Kontakt, die viel trinken – oft zu viel. Oder er vernimmt von der Spitex, von Hausärztinnen und -ärzten davon. Alkohol ist ohnehin das Suchtmittel Nummer 1. In der Statistik von Klick steht es mit fast 60 Prozent der Fälle an der Spitze.
Über Sinnfragen reden
Wenn Studer von «mehr älteren Leuten mit Alkoholproblemen» spricht, kann er seine Aussage nicht statistisch belegen – noch nicht. Jedoch vermag er gut zu erklären, wie Sucht im fortgeschrittenen Alter zum Problem werden kann: Jemand verliert zum Beispiel die Stelle, womöglich kurz vor der Pensionierung, und schlittert in eine Lebenskrise. Nach einer Trennung oder Scheidung stellt sich Einsamkeit ein. Gesundheitliche Probleme treten auf – und, und, und.
Er möge die Personengruppe 65 plus in der Beratung besonders, sagt Studer, weil man dann «schnell auf Sinnfragen» komme: «Was hat mir bis jetzt Sinn gegeben im Leben und was fehlt mir nun? Was macht mir Angst?» Viele Themen seien mit dem eigenen Konsumverhalten gekoppelt. Der Klick-Geschäftsführer berichtet etwa von einem Rentner, den er berät: Der Mann war beruflich in einer Kaderposition und lebt von seiner Frau getrennt. Sozial zwar gut integriert und ohne Geldsorgen, machte sich in ihm zuhause aber zunehmend Leere breit, die er mit Whisky zu füllen versuchte. «Bis er dem eigenen Konsum gegenüber kritisch wurde», sagt Studer. Hier hakt die aktuelle Kampagne der Fachstelle Klick ein: «Wie viel ist zu viel?», fragt sie und lädt ein, das Gespräch zu suchen.
Gewohnheiten ändern
Studer vereinbarte mit dem Klienten unter anderem eine Zeit der Selbstbeobachtung. Dieser notierte sich daraufhin, wann er den Wunsch verspürt, zum Glas zu greifen. Er wollte so seinen Gefühlen zu diesem Zeitpunkt auf den Grund gehen. «Nach einer Pufferzeit von einer halben Stunde ist es dann vielleicht vorbei oder man hat eine Ablenkung gefunden», erklärt Studer. Vor der Sucht stehe eine Gewohnheit. «Und eine Gewohnheit kann man ändern. Es ist einfach häufig anstrengend.»
Den «Dry January», eine weltweite Bewegung, die zu einer Alkoholpause im ersten Monat des Jahres aufruft und in der Schweiz unter anderem vom «Blauen Kreuz» getragen wird, hält Ruedi Studer deshalb für «eine gute Präventionsform». Der Verzicht mache einem das eigene Konsumverhalten bewusst und könne Anstoss für eine Veränderung sein.
Ruedi Studer (58) ist Geschäftsführer von «Klick – Fachstelle Sucht Region Luzern». Das gleiche Angebot machen auf der Landschaft die Sozialberatungszentren (SOBZ) in Schüpfheim und Willisau und das Zentrum für Soziales (Zenso) in Sursee und Hochdorf.