«Der Kirche fehlt bisweilen der Mut»

Kurt Zaugg-Ott setzt sich als Geschäftsführer des Vereins «oeku» dafür ein, dass die Kirchen dem Umweltschutz mehr Gewicht geben – und damit auch mithelfen, die Menschen dafür zu sensibilisieren.

Von Bettina Epper |  14.02.2023

«Es ist in kurzer Zeit unglaublich viel passiert, das ist super – und doch geht es noch zu langsam», ist «oeku»-Geschäftsführer Kurt Zaugg-Ott überzeugt. Bild: Severin Nowacki

Aufs sprichwörtliche Dach steigt Kurt Zaugg-Ott den Kirchen zwar nicht. Er ist eher ein Mann der leisen Töne. Auf die Kirchendächer hingegen hat er es schon abgesehen. «Ich installiere lieber auf einem denkmalgeschützten Gebäude eine Solar­anlage, als Freiluftsolaranlagen in Natur­schutzgebiete zu stellen.» Der Geschäftsleiter von «oeku Kirchen für die Umwelt» redet Klartext, wenn es um seine Anliegen geht. Der Verein bezweckt, «die Verantwortung für die Erhaltung der Schöpfung» in den Kirchen tiefer zu verankern. «Gott hat uns beauftragt, zur Schöpfung Sorge zu tragen.»

Daran glaubt Kurt Zaugg-Ott, so wie er daran glaubt, dass wir den Klimawandel noch stoppen können. «Wenn wir das nicht glauben, haben wir schon verloren. Eine Wahl haben wir so oder so nicht. Wir müssen alles tun, damit wir die Kurve noch kriegen.» Gott könne und werde dabei helfen, das ja. «Aber nur, wenn wir Menschen selbst unseren Teil beitragen.»

Erste kleine Erfolgsschritte

Der 62-Jährige setzt sich schon seit Kindertagen für die Natur ein. «Ich bin in eher bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Wir waren viel draussen. Das hat immer dazugehört.» Genauso wie die Kirche. Schon früh war er aktiv in der jungen Kirche, der christlichen Jugendbewegung der Landeskirchen, in der Umweltschutz bereits in den 1970er-Jahren ein Thema war. «Politisch sensibilisiert hat mich die Anti-AKW-Bewegung. Mit 17 habe ich gegen das AKW Gösgen demonstriert.» Und später hat er den Militärdienst verweigert – aus klarer Überzeugung.
 


«Gott hat uns beauftragt, zur Schöpfung Sorge zu tragen», sagt Kurt Zaugg-Ott.

Dass er dereinst Theologe werden würde, war dagegen nicht von vornherein an klar. Zaugg-Ott lernte zunächst Fernseh- und Radioelektroniker und studierte erst später – und half als Student 1986 bei der Gründung der «oeku» mit. Seit 1997 ist er deren Geschäftsleiter, stets aus Überzeu­gung, auch wenn es Zeiten gab, in denen er leicht zweifelte. «Anfang der 2000er-Jahre ging nichts vorwärts.» Doch dann geschah 2011 die Atomkatastrophe in Fukushima und 2015 fand die Klimakonferenz in Paris statt. «Seither ist die ‹oeku› in der Kirche gefragter. Unsere Arbeit wird breiter unterstützt, obwohl Umweltschutz nach wie vor bei vielen nicht ganz oben auf der Liste steht.»

«Eine Wahl haben wir nicht. Wir müssen alles tun, damit wir die Kurve noch kriegen.»
Kurt Zaugg-Ott

Bei Kurt Zaugg-Ott tut er das – und nicht nur bei fremden Dächern, sondern auch bei seinem. 2008 trieb er im Zehnfamilienhaus, in dem seine Familie wohnt, den Einbau einer Pelletheizung voran und auf dem Dach prangt seit 14 Jahren eine Solaranlage. Aber auch er geht Kompromisse ein. So fuhr er mit seiner Frau im letzten Sommer mit dem Velo von Genf bis an die Pyrenäen. Für die Fortsetzung im Herbst nach Spanien reisten die beiden mit dem Zug nach Toulouse und mieteten ein Auto. «Ein Elektroauto gab es leider nicht, obwohl immer mehr Autovermietungen aufrüsten.»

Wenn es kippt

Solche Dinge seien kleine Schritte in die richtige Richtung. «Aber wir müssten viel mehr tun.» Kurt Zaugg-Ott spricht «Kipppunkte» an. Also jene kritischen Schwellen, bei deren Überschreiten es zu unumkehrbaren Veränderungen in der Umwelt kommt. «Wir sind wahrscheinlich näher dran, als wir meinen.» Zaugg-Ott hofft demgegenüber auf gesellschaftliche Kipppunkte. Wie bei der Gletscherinitia­tive. «Als sie 2018 lanciert wurde, dachte ich, dass sie null Chancen habe. Doch kurz darauf nahm auch der Bundesrat das Ziel von null CO2 bis 2050 auf. Und jetzt haben wir dafür im Parlament eine Mehrheit. Das ist für mich auch ein Kipppunkt.» Doch dann fügt er ein gewichtiges Aber an: «Es ist in kurzer Zeit unglaublich viel passiert, das ist super – und doch geht es noch zu langsam.»

Es braucht oft wenig für mehr Natur: Hinweistafel auf die Blumenwiese vor der Pfarrkirche Ebikon. Bild: Dominik Thali

Trotz gebotener Eile geht Zaugg-Ott die Dinge überlegt an. «Natürlich brauchen wir Windkraft. Aber dort, wo die Nord-Süd-Vogelwanderungen stattfinden, müssen wir vorsichtig sein. Die Bürgerlichen proben gerade den Kahlschlag bei Natur- und Landschaftsschutz. Das geht gar nicht.» Zudem lasse die Politik etwas oft aussen vor: Suffizienz. «Sparsamkeit ist politisch nicht attraktiv. Dabei können wir sehr gut mit weniger auskommen. Genügsamkeit ist eine alte Tugend.»

Hindernis Denkmalschutz

Genauso wie Mut. Aber daran fehle es der Kirche manchmal. «Viele würden gerne ihre Kirchendächer mit Solarpanels aus­statten, aber sie wagen es nicht wegen des Denkmalschutzes.» Dabei hätte das Symbolwirkung. In Deutschland habe man schon in den 1990er-Jahren Solaranlagen auf Kirchendächer gesetzt. «Ich denke, die Solarförderung wäre dort sonst nicht so gut angelaufen. Wenn bei uns ein Umdenken stattfände, wäre auch das ein Kipppunkt. Die Kirche ist schliess­lich mitten im Dorf, man sieht sie von überall her.»

Dieser Artikel ist zuerst erschienen im «Pro Natura Magazin»

Erst ein «Grüner Güggel» im Kanton Luzern

  • «oeku Kirchen für die Umwelt» ist eine Fachstelle für die ökumenische kirchliche Umweltarbeit. Sie befindet sich Bern. «oeku» ist als Verein organisiert, zählt rund 660 Mitglieder und erhält auch über die Kantonalkirchen Beiträge.
  • Der Grüne Güggel ist ein Umweltmanagementsystem, das Kirchgemeinden hilft, ihre Umweltleistung zu verbessern. Über «oeku» haben seit 2015 rund 60 Kirchgemeinden und Kantonalkirchen das Zertifikat erhalten; zuletzt die Kirchgemeinde Luzern im November als erste im Kanton. Stärkste «Güggel»-Kantone sind Zürich und Thurgau.
  • Das Umwelthandbuch «Es werde grün» von «oeku» ist im November in zweiter Auflage erschienen. Es unterstützt Kirchgemeinden und Pfar­reien auf ihrem Weg zu mehr Nachhaltigkeit.