Dialog nach innen und aussen
Fünf Religionsgemeinschaften bietet das Haus der Religionen in Bern einen Raum. Drei weitere wirken am Programm mit. Seit zehn Jahren pflegen sie den inter- und innerreligiösen Dialog.
Laila Sheikh führt durch das Haus der Religionen. Bild: Sylvia Stam
Es wuselt an diesem Samstagnachmittag im Haus der Religionen (HdR) in Bern. Das Restaurant gleich beim Eingang, das koschere und ayurvedische Kost serviert, ist gut besetzt. Eine Frau führt gerade eine eritreische Kaffeezeremonie für die Gäste durch. Auch die buddhistische Fotoausstellung an der Wand gegenüber zieht Besucher:innen an.
Jährlich 300 Führungen
An Wochenenden sei immer viel los, sagt Laila Sheikh, Programmverantwortliche im HdR. Sie leitet heute eine der jährlich rund 300 Führungen durch das Haus, die nach Möglichkeit auch in die sakralen Räume der fünf Gemeinschaften führen. An diesem Tag ist das für die Kirche im Haus nicht möglich, es findet gerade ein Kontemplationstag statt.
Das buddhistische Sandmandala wird an diesem Nachmittag wieder zerstört. Bild: Sylvia Stam
Dafür wartet das interbuddhistische Zentrum mit einem Höhepunkt auf: Hier ist ein Mandala aus farbigem Sand zu bewundern. Während vier Tagen wurde das Kunstwerk von zwei Mönchen in minutiöser Arbeit gestaltet. Am Nachmittag wird es zerstört und der Sand dem Wasser übergeben, als Zeichen der Vergänglichkeit allen Lebens.
Unwürdige Orte für Rituale
Seit zehn Jahren steht der markante Bau mit der spiegelnden Fassade am Europaplatz in Bern. Die Vorgeschichte des Hauses sei um einiges länger, erzählt Laila Sheikh auf dem Rundgang. Die Gründung des Hauses war eine Reaktion darauf, dass zunehmend Menschen verschiedener Religionen in der Schweiz leben. «Buddhistische, hinduistische oder muslimische Vereine waren oft in Garagen oder Kellergebäuden eingemietet, unwürdige Orte für Hochzeits- oder Bestattungsrituale», so Sheikh. Gleichzeitig wollten die christlichen und jüdischen Gemeinschaften in der Schweiz mit diesen Religionsgemeinschaften in Dialog treten. Aus einem runden Tisch sei schliesslich ein ganzes Haus geworden, das in dieser Art «weltweit einzigartig» sei, sagt Laila Sheikh.
Die Darstellungen hinduistischer Gottheiten (Ausschnitt) versetzen die Besuchenden in Staunen. Bild: Sylvia Stam
Ziel dieser Gemeinschaft ist einerseits der gemeinsame, interreligiöse Dialog. Es finde aber auch ein innerreligiöser Dialog statt, der meist schwieriger sei, erklärt Sheikh lachend, als die Gruppe vor dem Wandbild der alevitischen Gemeinschaft steht. Die christliche Kirche im Haus etwa wird von der äthiopisch-orthodoxen Tewahedo-Kirche und der Herrnhuter Sozietät für Gottesdienste genutzt. Während für Erstere Bilddarstellungen wichtig seien, bevorzuge die evangelische Herrnhuter Sozietät einen schlichten Raum. Hier Kompromisse zu finden, gehöre zur Philosophie des Hauses. Daher zeigt nur eine Wand der Kirche biblische Szenen, ein Kreuz gibt es nicht in dem Raum.
Inspiration aus der Diaspora
Staunen lösen die Altäre mit den farbigen Statuen im Hindutempel aus. Die tamilischen Hindus im HdR seien eine Reformgemeinschaft, erklärt Sheikh, und nennt drei Neuerungen: kein Kastenwesen, Tamilisch statt Sanskrit als Ritualsprache und die Zulassung von Frauen zum Priesterinnenamt. Hindugemeinschaften in anderen Ländern liessen sich heute von der Berner Gemeinschaft inspirieren. «Manchmal entsteht in der Diaspora etwas Neues, das dann wiederum auf die Herkunftsreligion zurückwirkt», sagt sie nicht ohne Stolz.
In den letzten zehn Jahren hat sich die Gesellschaft verändert. Grund für das HdR, sich auch selber weiterzuentwickeln. «Ein Strategieprozess ist derzeit in Gang», sagt Laila Sheikh. Das Angebot soll auf die aktuellen Bedürfnisse abgestimmt werden.
Vom 20.10. bis 14.12. finden verschiedene Anlässe zum Jubiläum statt. Festakt und Tag der offenen Tür am Sa, 14.12., 13.30, Europaplatz, Bern
Acht Gemeinschaften
Im Haus der Religionen in Bern feiern Alevit:innen, Buddhist:innen, Christ:innen, Hindus und Muslim:innen in eigenen Räumen ihre religiösen Zeremonien. Die jüdische Gemeinschaft, Bahá’í und Sikhs beteiligen sich zudem am Programm. Dieses enthält kulturelle Veranstaltungen, Podiumsdiskussionen, Vorträge, Ausstellungen sowie Bildungsangebote vor allem für Schulen und verschiedene Berufsgruppen.