Die moralische Stimme Südafrikas
An Weihnachten starb Desmond Tutu, anglikanischer Bischof in Südafrika. Mit ihm verliert das Land eine wichtige moralische Stimme und die Welt einen unerlässlichen Kämpfer für Gerechtigkeit.
Ob wegen Hautfarbe, Nationalität oder sexueller Orientierung - Desmond Tutu wehrte sich gegen jede Form von Diskriminierung. Bild: kna (2015)
Vom «Gewissen Südafrikas» und der «Stimme der Schwarzen» ist in den zahlreichen Nachrufen auf Desmond Tutu, anglikanischer Erzbischof von Südafrika, die Rede. Am Stephanstag starb der Friedensnobelpreisträger im Alter von 90 Jahren.
Tutu war neben Nelson Mandela eine der prägenden Figuren der Anti-Apartheid-Bewegung, indem er beispielsweise im Ausland zum Wirtschaftsboykott gegen sein Land aufrief. Für seinen gewaltlosen Einsatz gegen das rassistische Regime erhielt er 1984 den Friedensnobelpreis.
Die Suche nach Versöhnung
Nach dem Ende des Apartheid-Staates wurde Tutu Vorsitzender der «Kommission für Wahrheit und Versöhnung». In dieser Rolle, in der er sich selber als «Quälgeist» bezeichnete, hörte er Opfer und Täter*innen des Systems an – 20 000 Fälle der Jahre von 1960 bis 1994 wurden in drei Jahren untersucht. Dies brachte ihm auch Kritik des inzwischen regierenden Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) ein, denn die Kommission hatte ohne Scheu auch die Folterungen, Attentate und Mordbefehle der Schwarzen-Organisation angeprangert. «Ich habe nicht mein Leben lang gegen Tyrannei gekämpft, um sie durch eine andere Form der Tyrannei ersetzt zu sehen», erklärte Tutu damals wütend. Gleichzeitig stärkte diese Haltung seinen Ruf als moralisch integere Person.
Wie sehr ihm Gerechtigkeit in allen Bereichen ein Anliegen war, zeigt sein Einsatz für die Rechte Homosexueller in den Nullerjahren.
Ehrendoktor der Uni Freiburg
Auch die Schweiz ehrte den klein gewachsenen, humorvollen Bischof: 1999 erhielt Tutu den Ehrendoktor der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg. «An der Persönlichkeit von Desmond Tutu wird in exemplarischer Weise die gesellschaftliche, soziale und moralische Kraft des christlichen Glaubens deutlich», sagte Adrian Holderegger, damals Professor für Theologische Ethik, in seiner Laudatio. «Kein Recht ohne Ethos, und keine Versöhnung ohne Vergebung», fasste er Tutus Botschaft zusammen und nannte ihn einen der «tragenden Garanten für einen friedlichen Übergang der Apartheid in einen demokratischen, sich an Grundrechten orientierenden Rechts-Staat.»
«Desmond Tutu hat mit Liebe, Vergebung und Humor auf grosse Verletzungen reagiert und damit viel zur Wiederherstellung von Gerechtigkeit in Südafrika beigetragen», würdigte der Basler Bischof Felix Gmür den Verstorbenen auf Twitter.
Eine freie Gesellschaft
«Er hat mich tief geprägt», sagte auch Valentine Koledoye, Bischofsvikar im Bistum Basel mit nigerianischen Wurzeln, gegenüber kath.ch. «Es ging ihm nicht um die Hautfarbe. Sondern um Menschlichkeit und Gerechtigkeit. Er war gegen jegliche Form von Diskriminierung und wollte auch nicht, dass die Weissen diskriminiert werden. Er wollte nicht nur den Rassismus bekämpfen, sondern eine freie Gesellschaft herstellen, in der sich jeder Mensch frei entfalten kann – unabhängig von Hautfarbe, Nationalität, sexueller Orientierung.»