Die orangen Engel vom Bahnhof
Sie helfen beim Umsteigen, beim Billett-Automaten, bei einem Schwächeanfall: Die fünf Mitarbeiterinnen der Bahnhofhilfe Luzern unterstützen körperlich und geistig behinderte Menschen, Senior*innen oder Kinder in vielen Belangen.
Yvonne Koch unterstützt Sepp Eggerschwiler seit vielen Jahren. Bild: Sylvia Stam
Dienstagnachmittag, 16.02 Uhr. Die S-Bahn aus Stans fährt ein. Yvonne Koch wartet im orangen Gilet auf dem Perron, Sektor A. Als einer der ersten Passagiere erscheint Sepp Eggerschwiler in der sich öffnenden Tür, er hat einen Blindenstock in der Hand. Yvonne Koch geht auf ihn zu, berührt ihn an der Schulter und begrüsst ihn. Sepp Eggerschwiler hält sie am linken Ellbogen fest, während sie ihn zügig durch die Bahnhofhalle und über den Bahnhofplatz zum Bus führt.
«Ich steige täglich vom Bus aus Ebikon auf den Zug nach Horw um und umgekehrt», erzählt der gross gewachsene Mann. Er arbeitet im Bildungs- und Begegnungszentrum des Schweizerischen Blindenverbands in Horw. Auf dem Busbahnhof fehlten die weissen Leitlinien für Blinde, erzählt er, auch im Untergeschoss gebe es keine. «Darum sind die Wege für mich schwierig zu finden.» Aus diesem Grund ist Eggerschwiler froh um die Bahnhofhilfe, die er seit rund 15 Jahren in Anspruch nimmt. «Manchmal begleite ich ihn auch in die Apotheke oder die Migros im Untergeschoss», ergänzt Koch.
Mit Rollstuhl zum Schiff
Sie ist seit 14 Jahren für die Bahnhofhilfe tätig, seit 2016 als Teamleiterin. «Wir begleiten viele Blinde und Kinder mit Down-Syndrom beim Umsteigen oder beim Fahrplan-Lesen, wir unterstützen Senioren oder Touristinnen, wenn sie Hilfe beim Billett-Automaten brauchen, wir helfen Menschen im Rollstuhl vom Zug zum Bus oder zum Schiff.»
Viele Kund*innen kommen wöchentlich oder täglich, andere rufen vorher an oder melden sich via Website. «Es kommt auch vor, dass eine Zugbegleiterin uns anruft, wenn jemand unerwartet Unterstützung braucht.» Wenn gerade kein Auftrag ansteht, zirkulieren die Bahnhofhilfen, die an ihrem leuchtend orangen Gilet erkennbar sind, auf dem Bahnhofgelände und schauen, wo es Hilfe braucht.
Raum zum Stillen
Insgesamt fünf Frauen sind am Bahnhof Luzern im Einsatz, jeweils eine Person pro Schicht. Eine bestimmte Ausbildung brauche es nicht, wichtiger sei, «dass jemand sich etwas zutraut und auch mit Notsituationen umgehen kann», sagt Koch. In Nothilfe oder im Umgang etwa mit Blinden würden sie intern geschult.
In der Bahnhofhalle gibt es weisse Linien für Blinde, auf dem Busbahnhof fehlen sie. Bild: Sylvia Stam
Im Büro der Bahnhofhilfe am Gleis 3 gibt es auch einen Raum mit Sofa und Wickeltisch. Hier können Mütter ihr Baby stillen, der Raum dient aber auch schon mal für Gespräche oder um etwas Abstand zum Gewusel zu gewinnen. Auch wenn es nicht immer gelinge, die orangen Engel probierten, «für alle Probleme eine Lösung zu finden», so Koch.
Per Handy erreichbar
Die Bahnhofhilfe wurde vor über 130 Jahren gegründet. Treibende Kräfte waren der damalige Verein Freundinnen junger Mädchen – heute Compagna – und der Katholische Mädchenschutzverein – heute Pro Filia. Sie ist heute in allen grossen Schweizer Städten präsent. In Luzern befindet sich das Büro der Bahnhofhilfe am Gleis 3, Sektor B, die Angestellten sind werktags von 8 bis 18.15 Uhr und samstags von 8 bis 12.15 Uhr erreichbar unter 079 500 26 00.