Die Regel ist heute die Ausnahme
Immer weniger Paare lassen sich kirchlich trauen. Schon gar nicht in der Pfarrkirche, wie es das Kirchenrecht vorschreibt. Spielraum bleibt aber, und die Seelsorgenden nutzen ihn. Die Beweggründe der Paare seien wichtiger als der Ort, sagen sie.
Trauung im Wald: Die Hochzeit von Luana Hunkeler und Andreas Bärtschi auf dem Herzberg in Uffikon am 31. Juli 2023. Diakon Roger Seuret gestaltete die Feier. | Bild: Michelle Schwizer
«Wir sind beide naturverbunden», sagt Andreas Bärtschi. Er und seine Braut Luana Hunkeler wünschten sich deshalb einen Trauort draussen – und fanden ihn in der Waldarena Herzberg in Uffikon. Die beiden stammen aus Altishofen und fanden im dortigen Seelsorger, Diakon Roger Seuret, einen Trauungsberechtigten, der die Feier letzten Sommer gestaltete.
Was ein No-Go ist
Für ihn sei klar, dass er sich nach dem Brautpaar richte, was den Trauort betreffe, sagt Seuret. Er hielt schon Trauungen im Wald, an einem See oder in den Bergen. «Und das waren auch für mich immer wieder wunderschöne Erfahrungen.» Seuret findet, die Seelsorgenden seien «mündig genug, um selber entscheiden zu können, was pastoral sinnvoll ist». Ein «No-Go» sei für ihn gleichwohl, wenn er merke, dass es dem Paar «nur um die Show» gehe. Seuret hat einmal erlebt, dass ein Brautpaar ihn nicht selbst, sondern über eine Hochzeitsplanerin anfragte. Er lehnte ab.
«Kein Ärgernis» bereiten
Diese Haltung teilen andere Seelsorgerinnen und Seelsorger. Diakon Urs Corradini, Leiter des Pastoralraums Oberes Entlebuch, bereitet gerade eine Trauung auf dem Hof der Brautleute vor. «Wenn ein Paar noch kirchlich heiraten will und es ihm ernst ist, bin ich offen für verschiedene Lösungen», sagt er. Entscheidend sei «die innere Motivation des Brautpaars». Trauungen an besonderen Orten seien freilich schon früher gang und gäbe gewesen, wie er Lebensläufen Verstorbener entnehme.
Gleichwohl: Das Kirchenrecht hält fest, «die Eheschliessung von Katholiken» solle «grundsätzlich in der Pfarrkirche des Trauungsorts gefeiert werden». Grund: Die kirchliche Eheschliessung ist eine sakramentale Feier. Für die Erlaubnis, ausserhalb einer Kirche oder Kapelle heiraten zu dürfen, brauche es «einen schwerwiegenden Grund», es dürfe «bei den Gläubigen [...] kein Ärgernis entstehen» und es müsse sich «aller Voraussicht nach [...] um einen Einzelfall handeln», erklärte das Bistum Basel in seinem Newsletter vom Januar. Einer solchen Trauung muss der Ortsordinarius zustimmen – in der Regel ist dies Markus Thürig, Generalvikar des Bistums Basel.
Ans vorrangige Kirchenrecht hält sich kaum mehr ein Brautpaar. «Hochzeiten in einer Pfarrkirche sind die Ausnahme», sagt Andreas Graf, Leiter des Pastoralraums Hürntal. Gefragt seien Kapellen «und zunehmend Hochzeiten im Freien, auf einem Bauernhof oder an einem anderen besonderen Ort, wo Trauung und Fest nacheinander stattfinden könnten. Graf ist grundsätzlich wichtig, dass eine kirchliche Trauung «nicht eine ausschliesslich private Feier sein soll, sondern vor Gott und den Menschen stattfindet».
Allenfalls eine Segensfeier
Adrian Wicki wiederum, Leiter des Pastoralraums Region Werthenstein, hat «praktisch keine» Anfragen für Trauungen im Freien. Ihm ist ohnehin ein sakraler Raum wichtig. «Und Kapellen haben wir ja genug.» Sechs der neun Trauungen, die Wicki vergangenes Jahr hielt, fanden in der Kirche Sigigen statt, zwei in der Klosterkirche Werthenstein – und nur eine in der Pfarrkirche Ruswil.
David Rüegsegger, Leiter des Pastoralraums Emmen-Rothenburg, hakt hier ein. Er feiere keine Freiluft-Hochzeiten, weil so der würdige Rahmen von äusseren Faktoren wie dem Wetter abhänge. Eine Kirche oder Kapelle dagegen sorge «für ein geschütztes Setting und weise einen direkten Bezug zu Gott auf», sagt Rüegsegger. Bei «ausgefallenen Wünschen» oder wenn er merke, «dass ein Paar weit weg ist vom kirchlichen Grundverständnis», gebe es auch die Möglichkeit einer Segensfeier. Eine solche Feier ist keine Trauung im kirchenrechtlichen Sinn, kann dafür frei gestaltet werden.
Nach einer Trauung in der Kirche Sigigen, Ruswil, im August 2023. | Bild: Roger Dula
«Nicht mehr üblich»
Die Zahl der katholischen Trauungen ist von 2012 bis 2022 um rund 46 Prozent gesunken. Diesen Zeitraum umfasst die Statistik, welche das Pastoralsoziologische Institut in St. Gallen für die Kantone führt. Im Bistum Basel ist der Rückgang gleich gross, im Kanton Luzern beträgt er 42 Prozent. 2012 gab es hier 505 katholische Trauungen, 2022 noch 289. Urs Corradini, Leiter des Pastoralraums Oberes Entlebuch, stellt fest, dass «die allermeisten»
Eltern, mit denen er eine Taufe vorbereite, nur zivil verheiratet sind. «Die kirchliche Trauung ist nicht mehr üblich», sagt Corradini.
Wer sich gleichwohl dafür entscheidet, tut dies dafür überzeugt: «Weil es einem Paar etwas bedeutet und ihm an Gottes Segen gelegen ist», sagt Andreas Graf, Leiter des Pastoralraums Hürntal.
Wer ein Paar trauen darf und wo
Die Trauung ist für Katholikinnen und Katholiken ein Sakrament, das sich die Brautleute gegenseitig spenden. Darum darf nicht jede Seelsorgerin und jeder Seelsorger «bei einer Eheschliessung assistieren», wie es kirchenrechtlich heisst. Befugt ist, wer geweiht ist, also ein Priester oder Diakon. Gemeindeleiterinnen und -leitern ohne Weihe kann der Bischof für eine Trauung im eigenen Pastoralraum eine ausserordentliche Trauvollmacht erteilen.
Diese Regeln stossen bei Paaren mitunter auf Unverständnis, wenn die von ihnen gewünschte Person nicht zur Verfügung steht. Denn oft wählen sie erst den Trauort, legen dann das Datum fest und fragen als Letztes eine Seelsorgerin bzw. einen Seelsorger. «Es ist mühsam, wenn ich dann absagen muss, weil die Trauung nicht vor Ort stattfindet», sagt Regina Osterwalder, Leiterin des Pastoralraums Rontal. Theres Küng, Leiterin des Pastoralraums Michelsamt, macht ähnliche Erfahrungen: Sie sei schon mehrmals für eine Trauung auswärts angefragt worden. «Die Paare reagieren mit Unverständnis, wenn ich ihnen erkläre, dass ich sie nur innerhalb des Pastoralraums trauen darf. Meistens bin ich genauso enttäuscht.» Andreas Graf vom Pastoralraum Hürntal doppelt nach: «Am schwierigsten ist es, wenn ein Paar eine kirchliche Hochzeit wünscht und die gewünschte Person keine Trauerlaubnis bekommt. Das ist zunehmend nicht erklärbar.» Das Bistum hält dagegen fest, die Trauvollmacht für Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleiter sei ohnehin schon eine Ausnahme, die es europaweit nur im Bistum Basel gebe.