Ein «Teddybär» wirkt weiter

Weihbischof Denis Theurillat (72) war als Sympathieträger und Brückenbauer bekannt. Seit seinem Rücktritt 2021 lebt er im Kloster Baldegg. Ein Einblick in seinen bischöflichen Ruhestand.

 

Von Anouk Hiedl |  26.10.2022

Weihbischof Denis Theurillat verbringt seinen Ruhestand im Kloster Baldegg. Doch seine Agenda ist so voll wie vor der Pensionierung. Bild: Dominik Thali

Ihre Nachfolge als Weihbischof ist noch immer vakant. Was braucht es, um in Ihre Fussstapfen zu treten?

Denis Theurillat: Jeder Bischof empfängt dieselbe Weihe. Danach gibt jeder seinem Amt eine eigene Farbe. Wichtig bleibt, dass man sich dabei in seiner Haut wohlfühlt, denn dem liegt zugrunde, was man im Alltag sagt und tut. So wird auch der nächste Weihbischof – ich hoffe sehr, dass es mindestens einen davon geben wird – auf seine Art arbeiten. Er wird sich der täglichen Dossiers annehmen und darum besorgt sein, bei den Leuten «präsent» zu sein. Wesentlich wird dabei sein Zeugnis umfassender Liebe sein. Wenn die Menschen spüren, dass ihr Bischof sie liebt, wird er einen grossen Teil seines Amtes erfüllt haben. Dieses Zeugnis wünsche ich mir von allen Verantwortlichen in der Welt und der Kirche und – jeden Tag – ganz bescheiden auch von mir.

Während Ihres Theologiestudiums wollten Sie Mönch werden. Auf den Rat eines Freundes hin sind Sie Priester geworden. Nun leben Sie im Kloster Baldegg. Warum hier?

Ich habe dieses Kloster vor Jahren kennengelernt, als ich zwei oder drei Mal hier Ferien machte. Nach einem Sturz im Bahnhof Bern wurde ich 2016 hier auch gepflegt. Es ist noch nicht an der Zeit, in meine jurassische Heimat zurückzukehren, und eine Freude, dass sich in Baldegg eine Tür für mich aufgetan hat.

Im Hinblick auf Ihren Ruhestand haben Sie sich auf mehr Zeit fürs Gebet, fürs Studium und für die Menschen gefreut. Hat sich dieser Wunsch erfüllt?

Noch nicht. Das ist vielleicht auch gut so. Die Baldegger Ordensgemeinschaft umfasst aktuell etwa 180 Schwestern. An Arbeit fehlt es mir somit nicht. Es erreichen mich Anfragen aus dem Pastoralraum Baldeggersee, öfter noch aus Pfarreien unseres Bistums. Meine 21 Jahre als Weihbischof sind nicht von heute auf morgen vergessen. Das bewegt mich. Ohne Arbeit zu suchen, ist meine Agenda heute somit fast so voll wie früher.

Sind Sie ins Klosterleben eingebunden?

Ich wohne im Pflegeheim hier, und die Gemeinschaft hat ihr Leben und ich meines. Ich feiere, bete und esse mit den Schwestern und spiele manchmal auch Karten mit ihnen. Doch ich bin und bleibe unabhängig. Das ist allen wichtig. Ein Kapuziner und ich sind hier Seelsorger. Wir bilden eine kleine Gemeinschaft und treffen uns abends zu den Tagesnachrichten und einem brüderlichen Austausch.

Setzen Sie Grenzen?

Das fand ich schon immer schwierig. Wenn eine Anfrage kommt, muss man darauf einge- hen. So verstehe ich meine Arbeit oder Mission. Ich diene, ohne mich dauernd zu fragen, ob ich genug getan habe oder nicht. Ich bin ein Diener und glücklich, es zu sein. Jesus ist diesbezüglich unser Lehrer. Ich habe nicht denselben Arbeitsrhythmus wie früher und versuche, mich einzuschränken. Montags habe ich frei, da kann ich weggehen, Menschen treffen oder ganz einfach daheimbleiben und einen Tag lang entspannen. Ich habe mir einen engeren Gebetsrahmen gesetzt, mit Eucharistiefeiern, eucharistischer Anbetung und, so oft wie möglich, dem Stundengebet der Schwestern. Ich schätze all das.

Vermissen Sie etwas aus Ihrem Leben als Weihbischof?

Ich habe diese 21 der Kirche geschenkten Jahre voll und intensiv gelebt. Ich war ein glücklicher Bischof. Alles, was ich erlebt habe und mich geprägt hat, trägt mich heute. Gemäss meinem Wahlspruch «Das Evangelium wagen» versuche ich nach wie vor gemäss der Frohen Botschaft Jesu zu leben. Deshalb fehlt mir aus den letzten zwei Jahrzehnten nichts. Ich nehme meine Aufgaben anders wahr und berufe mich auf Charles de Foucauld, einerseits in der Gemeinschaft der Kleinen Brüder Jesu, der ich angehöre, und andererseits über Franz von Assisi, den spirituellen Lehrer der Baldegger Schwestern. Hier nennt man mich übrigens «Bruder Denis».

Sie galten als «Anwalt der Frauen und der Jugend», als Integrationsfigur für die Minderheit französischsprachiger Katholik*innen im Bistum Basel und manchmal auch als «Teddybär». Wie sehen Sie sich?

Gleich wie früher. Ich bleibe derselbe, mit den gleichen Interessen und Leidenschaften. Doch ich fange an, länger darüber nachzudenken, was uns bewegt. Vorher tat ich das oft «im Stress». Ich bin nach wie vor sehr an Diskussionen um die Rolle und den Dienst von Frauen und Männern in der Kirche und an der Jugendpastoral interessiert. Ich bin nicht zurückgetreten, um nichts mehr von der Welt und der Kirche zu wissen. Ich informiere mich und nehme so viele Anliegen wie möglich in mein Gebet mit ein. Wenn wir uns vom Heiligen Geist leiten lassen, nehmen wir am aktiven kirchlichen Leben teil, auch als emeritierter Bischof.

Als Firmspender waren Sie bis zu 40 Mal pro Jahr im ganzen Bistum unterwegs. Hat sich die Einstellung der Jugendlichen dem Glauben und der Firmung gegenüber verändert?

Das ist schwierig zu beantworten. Die Jugendlichen scheinen offen zu sein für das, was ich mit ihnen teilen kann und somit auch für die göttlichen «Dinge», wie ich sie gern nenne. Sie sind Gläubige wie Sie und ich. Ich denke nicht, dass sie Gott «weglegen». Aber angesichts der aktuellen Welt müssen sie sich mehr anstrengen, um ihren Platz im Glauben zu finden. Sie stellen viele Fragen zur Kirche. Viele möchten den Heiligen Geist stärker spüren, um dem heutigen Leben gerecht zu werden.

Sie waren Titularbischof von Tubulbaca, einer ehemaligen römischen Stadt in der tunesischen Sahelregion. Welchen Bezug haben Sie zu Afrika?

Als ich erfuhr, dass ich diesen Titel in Tunesien habe, in einem Bistum, das es nicht mehr gibt, dachte ich mir: Mein Gott, wo ist das genau? Nachdem ich es herausgefunden hatte, habe ich den Namen dieser Stadt, Tubulbaca, sofort gemocht. Ich war noch nicht dort, obwohl mich der Bischof von Tunis eingeladen hat. Das bereue ich heute. So hätte ich eines der vielen mir unbekannten afrikanischen Länder ein wenig entdecken können. Zum Glück zeigen mir viele Priester und Ordensleute aus Afrika ihren Kontinent hier auf eine andere auch sehr schöne Weise.

Erstpublikation im «pfarrblatt» Bern