Einsatz gegen die Todesstrafe
Seit 40 Jahren engagiert sich Acat Schweiz gegen Folter und Todesstrafe. Stand früher der Einsatz für Einzelpersonen im Zentrum, zielt man heute auf die Gesetzesebene, sagt Generalsekretärin Bettina Ryser Ndeye.
Auch Länder, die die Konvention gegen Folter unterzeichnet hätten, hielten sich nicht unbedingt daran, sagt Bettina Ryser Ndeye. Bild: Pia Neuenschwander
Bei Themen wie Folter und Todesstrafe denkt man wohl zuerst an Amnesty International. Welche Rolle spielt Acat im Kampf gegen diese Verbrechen?
Bettina Ryser Ndeye: Wir haben ein kleineres Mandat, Acat ist auf die Themenbereiche Folter und Todesstrafe spezialisiert. Zudem umfasst unser Engagement auch die spirituelle Ebene. Wir arbeiten aber sehr wohl auch mit den «Grossen» zusammen und sind mit anderen NGO in der Plattform «Menschenrechte» vernetzt.
Wie hat sich die Arbeit von Acat seit der Gründung verändert?
Am Anfang haben wir uns hauptsächlich für Individuen eingesetzt, vor allem mit dringlichen Appellen an die betreffenden Regierungen. Damals ging es auch darum, vielen Menschen die Augen zu öffnen für eine Realität, die sie nicht kannten. Mit den sozialen Medien ist das Thema Folter inzwischen viel bekannter, und Berichte finden einfacher ihren Weg zu einem grösseren Publikum. Heute arbeiten wir vermehrt auf der Ebene von Konventionen, der Einsatz gegen Folter ist systemischer geworden: Es geht nicht mehr nur um die Person XY, sondern darum, auf Gesetzesebene in den Ländern den Schutz vor Folter oder Todesstrafe durchzusetzen.
In welchen Gebieten ist die Lage besonders akut?
Einerseits ist zum Beispiel in China die Repression der Uigur*innen ein Thema. Hier wollten wir bei den schweizerischen Textil-Detailhandelsfirmen das Bewusstsein für diese Ungerechtigkeiten wecken, denn Xinjiang spielt eine wichtige Rolle für den Baumwoll-Export. Die Firmen haben in unterschiedlichen Abstufungen reagiert: Natürlich ist China ein Gigant, und darum müssten sich mehr europäische Länder zusammenschliessen, um hier auf der Ebene des Handels ein Zeichen zu setzen. Dann ist Belarus das einzige Land in Europa, das die Todesstrafe kennt. Zudem wird dort die Demokratiebewegung massiv unterdrückt. Hier haben wir uns mit Interventionen für Personen eingesetzt, die zum Tode verurteilt worden waren. Ein kleiner Lichtblick war, dass zwei minderjährige Jugendliche daraufhin begnadigt wurden.
Gibt es weitere Erfolgsgeschichten?
Ja, zum Glück. In Burundi etwa wurde der Menschenrechtsaktivist Germain Rukuki, der wegen angeblicher staatsfeindlicher Aktivitäten zu 32 Jahren Haft verurteilt worden war, nach zahlreichen Appellen und einem neuen Gerichtsverfahren freigelassen. Einen bitteren Nachgeschmack hat diese Geschichte allerdings: Er wird immer noch als schuldig angesehen, nur das Strafmass wurde reduziert.
Wird es Acat auch in 40 Jahren noch brauchen?
Leider ja, auch wenn die Todesstrafe weltweit abgeschafft würde. Bereits jetzt haben zwar viele Staaten die Konvention gegen Folter unterzeichnet, sie halten sich aber nicht daran. Hier ist es wichtig, präventiv zu arbeiten, um Gefängnispersonal, Polizei und Behörden zu schulen und gegen systemische Folter zu sensibilisieren.
Erstpublikation im «pfarrblatt» Bern.
Briefe und Gebete
Die «Aktion der Christ*innen für die Abschaffung der Folter» (Acat) wurde 1974 in Frankreich gegründet, Acat Schweiz 1981. Sie sensibilisiert die Öffentlichkeit und kirchliche Kreise mittels vier Kampagnen jährlich.
Einzelmitglieder und Regionalgruppen intervenieren mit Briefen oder Petitionen zugunsten von Personen, deren physische oder psychische Integrität bedroht ist. Auch das Gebet für die Opfer und Täter*innen ist für Acat eine Form des Engagements.