«Ganz Ohr» – auch für die Frauen?
Mitte Januar gab das Bistum Basel die Resultate der Umfrage «Wir sind Ohr» bekannt: Die Freiwilligenarbeit wird als Grundpfeiler kirchlichen Lebens gelobt. Doch die Umfrage bestätigt auch zunehmende Resignation infolge eines Reformstaus.
Papst und Bischof wollen ganz Ohr sein, doch die Gläubigen des Bistums Basel fühlen sich von ihnen nicht wirklich gehört, wie die Umfrage zeigt. Bild: Bistum Basel
Im Herbst lancierte Papst Franziskus eine weltweite Umfrage mit zehn Themenfeldern. Das Bistum Basel passte diese an seine Bedürfnisse an und beauftragte das unabhängige Forschungsinstitut gfs Bern mit der Auswertung der Umfrage.
Die Dialogteilnehmer*innen wünschten sich insgesamt eine Kirche, «die sehr offen und einladend ist», heisst es im Schlussbericht des gfs vom 13. Januar. Neben zentralen Werten wie Offenheit, Nächstenliebe und Solidarität werde «der unvergleichlich grosse Stellenwert der Freiwilligkeit und freiwilligen Arbeit immer wieder betont». Diese sei geradezu ein Grundpfeiler der kirchlichen Gemeinschaft.
Wenig überraschend sind hingegen die Kritikpunkte: Die brennenden Themen seien «die Gleichbrechtigung von Mann und Frau, die Akzeptanz von LGBTQI+-Menschen, die Auflösung der Zölibatspflicht, die Zulassung von Frauen und verheirateten Männern zum Priesteramt sowie die Sexualmoral». Im Bistum Basel «fühlen sich Frauen eindeutig am häufigsten nicht gehört»
Reformstau und Resignation
Die Dialoggruppen nehmen laut gfs einen grossen Graben zwischen der Kirche als Organsiation und der Basis der Gläubigen wahr. Dabei werde die Struktur der Kirche als Problem gesehen. «Es ist zudem auch eine gewisse Frustration ersichtlich, weil sich die Gläubigen durch die fehlende Reflexion und Handlung von Seiten der Kirche nicht ernst genommen fühlen.» Der ausbleibende Wandel – Stichwort «Reformstau» – wirke entmutigend und führe zu Resignation.
«Je weiter von der Basis entfernt und je höher in der klerikalen Hierarchie, destor weniger fühlen sich die Teilnehmer*innen der Dialoggruppen gehört.» Nur 13 Prozent der Gruppen finden, dass Leitungspersonen des Bistums ‹ganz Ohr› seien, 35 Prozent fühlen sich von der Kirche als Institution insgesamt «nicht wirklich gehört». Ein Hindernis für gelingende Verständigung sehen viele (40 Prozent) auch in der kirchlichen Sprache, die «im Mittelalter stehen geblieben» sei, wie eine Gruppe es formulierte.
Synodale Versammlung
Die Resultate des gfs wurden im Januar vom Ordinariat gemeinsam mit gut 82 Personen aus Gremien, Kommissionen und Arbeitsgruppen des Bistums zu einem Bericht zuhanden der Schweizer Bischofskonferenz verdichtet. Der Bericht dieser synodalen Versammlung fasst die Ergebnisse des gfs zusammen und leitet daraus für jedes der zehn Themenfelder konkrete «Anliegen an die Synode» ab. Es sind drei Hauptanliegen, die in mehreren Themenfeldern immer wieder gefordert werden: die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und damit die Öffnung des Weiheamtes für Frauen und Verheiratete, die Mitwirkung an Entscheidungsprozessen sowie regionale Lösungen.
Sexualmoral revidieren
Es brauche «ein proaktives Zugehen auf diejenigen, die sich ausgeschlossen fühlen», hält die synodale Versammlung fest. «Die Kirche verliert den Anschluss an die Lebensrealität der Menschen», daher müsse sie aus humanwissenschaftlichen und theologischen Erkenntnissen «konkrete Schlussfolgerungen für die kirchliche Lehre» ziehen, etwa im Hinblick auf die Zulassung zum Weihesakrament und die Sexualmoral. Die Gleichberechtigung aller Menschen sei essentiell für eine glaubwürdige Kirche, die Öffnung der Weiheämter für Frauen und Verheiratete daher «dringend».
«Es ist unverzichtbar, dass auf allen kirchlichen Ebenen Laien gleichberechtigt in die Entscheidungsfindung einbezogen werden», lautet ein weiters, mehrfach erwähntes Anliegen. Es gebe Spielregeln für Synodalität, die wichtige Entscheidungen auch auf kontinentaler, regionaler und nationaler Ebene ermöglichten
Themenspeicher für Bistum
Der Bericht der synodalen Versammlung geht nun an die Schweizer Bischofskonferenz. Die Eingaben aller Bistümer werden schliesslich nach Rom geschickt.
Parallel zu diesem Bericht hat die synodale Versammlung einen «Themenspeicher» für das Bistum Basel gefüllt. Dieser enthalte Hinweise für den weiteren synodalen Prozess im Bistum Basel, «der in den kommenden Monaten weitergeht». Um welche Themen es sich hier handelt, steht nicht im Bericht.
60 Prozent Frauen
Vom 17. Oktober bis 30. November nahmen im Bistum Basel 5399 Personen am Synodalen Prozess teil, davon knapp 60 Prozent Frauen. Das Bistum zält rund eine Million Katholik*innen. Diskutiert wurde in 800 Gruppen von mindestens fünf Personen. Deren Durchschnittsalter lag am häufigsten zwischen 40 und 64 Jahren. Die Gruppen waren meist informell oder bestanden aus Freiwilligen, ein Fünftel hatte eine institutionelle Funktion. Die Themenfelder «Weggefährten» und «Zuhören» wurden am meisten gewählt.