«Ich säe meine spirituellen Körner»
Seit einem Jahr ist der Freiburger Beat Marchon Wallfahrtskaplan in Hergiswald. Die heutige Zeit brauche solche «Nischenprodukte», sagt er über seinen Wirkungsort.
«Hier habe ich Zeit für die Menschen», sagt Beat Marchon. Er ist seit einem Jahr Wallfahrtskaplan in Hergiswald. |Bild: Sylvia Stam
«In nur einer halben Stunde ist man in einer anderen Welt!», schwärmt Beat Marchon. Er beschreibt damit den Weg, den viele Besucher:innen aus dem Luzernbiet zurücklegen, wenn sie nach Hergiswald kommen. Für viele sei die Kirche ein Kraftort, wo sie in Stille verweilten. Auch er selber, der zuletzt als Pfarrer und Leiter des Pastoralraums Sense-Oberland FR tätig war, habe «etwas Ruhigeres» gesucht, sagt der heute 64-jährige Freiburger. «Hier habe ich Zeit für die Menschen», fügt er an, und nennt denn auch die Seelsorge als seine Hauptaufgabe. «Grad vorhin rief jemand sorgenvoll an und bat mich, an ein Familienmitglied zu denken.» Manche würden an der Tür des alten Holzhauses läuten, das direkt neben der Bushaltestelle liegt. Andere trifft er in der Kirche.
Mehrmals pro Woche kämen Leute zum Beichten, aus der Stadt, aus dem Entlebuch oder aus den Kantonen Ob- und Nidwalden. Für manche sei es leichter, mit dem Priester eines Wallfahrtsortes zu sprechen als mit einem Seelsorger vor Ort, den man kennt. «Hierher kann man spontan zum Gespräch kommen oder um das Herz auszuschütten. Das ist in unserer heutigen Zeit, wo vieles klar geregelt ist, ein Nischenprodukt.» Eines, das nötig sei, findet Marchon. Jemand wollte zum Beispiel vor einem Spitalaufenthalt noch beichten. «Es sei ihr einfach wohler, sagte die Person zu mir.»
Geerdete Spiritualität
«Geerdet» nennt Marchon seine «Spiritualität. Er meint damit, «dass die ganze Bandbreite unserer Erfahrungen, auch schwierige, ans wärmende Licht Gottes gebracht werden dürfen». Realist sein und die christliche Botschaft der Hoffnung bringen. Natürlich gelinge das nicht immer. «Ich säe meine spirituellen Körner. Ich vertraue darauf, dass andere vielleicht medizinische oder emotionale Körner säen.» Das Irdische betont er auch an der Gottesmutter Maria, welcher die Kirche von Hergiswald geweiht ist. «Maria hat ein Kind geboren. Sie weiss, was es heisst, Leben zu schenken.» Darum hätten manche über Maria einen leichteren Zugang zu Gott, «denn sie führt direkt zu Christus».
Segen von Malters bis Horw
Dreimal pro Woche feiert Beat Marchon eine Eucharistiefeier in der barocken Kirche, jeweils mit vorangehendem Rosenkranzgebet. Wer zur Messe hier «wuchi chunnt» (heraufkommt), erklärt er in seinem Sensler Dialekt, «hat einen Grund dafür». Denn man lege doch ein Stück Weg zurück. Die Aussicht auf Kriens und den See geniesst Marchon nicht nur, er verbindet sie auch mit einem täglichen Ritual: Jeden Morgen und jeden Abend öffnet er das Fenster und segnet die Menschen «von Malters bis Horw»: dass sie einen guten Tag haben mögen und abends eine geruhsame Nacht.
Barocker Himmel
Die Kirche in Hergiswald wurde um 1650 erbaut. Berühmt ist der «Bilderhimmel» mit den Deckengemälden von Kaspar Meglinger (1654). Die Albert-Koechlin-Stiftung hat die Kirche 2002 für 60 Jahre im Baurecht übernommen und von 2003 bis 2005 restauriert. Sie gehört zur Kirchgemeinde Kriens.