Kantonaler Seelsorgerat löst sich auf
Die Kirche kriselt – und jetzt löst sich auch noch der Seelsorgerat auf? Die Verantwortlichen halten dagegen: Loszulassen setze Energie frei. «Neue Aufbrüche» erhoffen sie sich von den Pastoralräumen und dem synodalen Prozess im Bistum.
Ganz frei denken»: Bischofsvikar Hanspeter Wasmer und Präsidentin Franzisca Ebener vom kantonalen Seelsorgerat. Bild: Dominik Thali
Dies sei «ein neuer Markstein in der kirchlichen Erneuerung», titelte die Zeitung «Vaterland» am 30. November 1970, nachdem zwei Tage zuvor der «Kantonale Seelsorgerat Luzern» gegründet worden war. Der KSRL «berät [...] pastorale Themen und Anliegen und versteht sich als eine ‹Stimme aus dem Volk Gottes›», wie es im 2018 erneuerten Statut heisst.
«Etwas wandelt sich»
1970, nach dem Konzil, ein halbes Jahr nach der Gründung der Landeskirche, vor der «Synode 72»: «Damals herrschte Aufbruchstimmung», blickt Hanspeter Wasmer zurück, der den KSRL seit fünf Jahren als Bischofsvikar begleitet. Neben den Pfarreiräten entstanden kantonale Seelsorgeräte; beides als Ausdruck davon, dass sich Lai:innen – die Bezeichnung ist heute verpönt – auf allen Ebenen der Kirche einbringen sollten.
Dies gelang unterschiedlich, aber immer wieder «mit Dynamik», sagt Franzisca Ebener, wenn sie auf ihre Zeit als Präsidentin zurückblickt. Sie löste 2018 Karl Mattmüller ab. Wichtig war dem Seelsorgerat vor allem das Vernetzen: Er brachte Pfarreiräte zusammen und förderte den Austausch von Erfahrungen, um so zum Handeln zu ermutigen. Eine Idee des Seelsorgerats ist zudem der seit 2014 vergebene «Dank Dir!»-Preis; gut besucht waren jeweils die Glaubens- und Begegnungstage, wertvoll die Impulse und Fürbitten auf der Landeswallfahrt nach Einsiedeln und Sachseln.
«Spannende Zeit»
Und doch: Ende Jahr ist Schluss. Die kriselnde Kirche, die Pandemie, der Mitgliederschwund: Es sei Zeit, los-
zulassen, finden Wasmer wie Ebener, statt mit viel Aufwand «mitunter schwerfällige Strukturen» anpassen zu wollen. «Ganz frei denken» will Ebener, von einer «heute schwierigen, aber auch spannenden Zeit» spricht Wasmer: «Es wandelt sich etwas, es gibt neue Aufbrüche.» Hoffnung setzen beide in die Pastoralraumräte, die es in etwa einem Drittel der Pasto-
ralräume schon gibt: freiwillig Engagierte, welche die Pastoralraumleitungen und -teams beraten. Weiter sucht auf Ebene Bistum die Arbeitsgruppe «Synodale Strukturen» nach Möglichkeiten, das Miteinander zu stärken.
Agiler werden
Dies und «Pastorale Wegweiser» waren die beiden Themen der synodalen Versammlung des Bistums, die vom 7. bis 9. September in Bern stattfand. Wasmer wünscht sich, dass es nicht «beim Vordenken» bleibt, «dass etwas weitergeht». Ebener schliesst sich ihm an: «Wir müssen agiler werden, damit wir nahe bei den Menschen sein können.»
Josef Fischers bemerkenswerter Blick in die Zukunft
An der Gründungsversammlung des kantonalen Seelsorgerats vom 28. November 1970 machte Josef Fischer (1925–1981), der damalige Präsident der Dekanenkonferenz, vier Aussagen, die aus heutiger Sicht bemerkenswert sind.
- Fischer wies gemäss Protokoll «auf die Notwendigkeit der Seelsorgeplanung» hin. In den kommenden Jahrzehnten werde «der Priestermangel seinen Höhepunkt erreichen». Fischer schätzte, dass im Jahr 2000 die Hälfte «unserer Pfarrstellen» unbesetzt sein würden.
- Fischer forderte, es müssten «Seelsorgezentren und Seelsorgeregionen geschaffen werden», ist dem Protokoll weiter zu entnehmen. Damit nahm er die heutigen Pastoralräume vorweg.
- Für die «sich jetzt schon abzeichnenden Schulzentren» müsse «eine neue Form des Religionsunterrichts» gefunden werden, forderte Fischer. Es brauche «spezialisierte Religionslehrer und Katecheten». Vom Religionsunterricht ausserhalb von Stundenplänen und Schulzimmern, wie er heute schon häufig ist, sprach er allerdings noch nicht.
- Schliesslich ahnte Fischer wohl schon damals, dass der Anteil Katholik:innen mit Migrationshintergrund steigen werde, indem er nach dem «Stand des Bibelunterrichts und der Gastarbeiterseelsorge» fragte und darauf hinwies, dass «jeder fünfte Katholik im Bistum Basel ein Italiener» sei. Heute haben gesamtschweizerisch etwa 40 Prozent der Katholik:innen in der Schweiz einen Migrationshintergrund.