«KI-Jesus, werde ich Liebe finden?»
Rund 900 Personen sprachen im Herbst 2024 mit einem KI-Jesus in der Peterskapelle Luzern. Die Auswertung der Gespräche zeigt, was die Menschen bewegt.
In den Gesprächen mit dem KI-Jesus ging es um Liebe, Tod und Krieg. Der Avatar erschien am Bildschirm in einem Beichtstuhl. | Bild: KI-generiert von Philipp Haslbauer
«Jesus, gibt es Gott tatsächlich?» – «Werde ich jemals wahre Liebe finden?» Solche Fragen stellten die Besucher:innen einem KI-Jesus, der im Herbst 2024 für zwei Monate in der Peterskapelle Luzern installiert war. In dieser Zeit wurden rund 900 Gespräche geführt, im Schnitt 15 pro Tag, in verschiedenen Sprachen. Das Forschungsteam der Hochschule Luzern (HSLU) hat die rund 500 deutschsprachigen Gespräche der Kunstinstallation «Deus in Machina» ausgewertet, dazu 290 Feedback-Fragebögen.
Liebe, Tod und Krieg
Die Gespräche zeigen, was heutige Menschen bewegt bzw. was sie einer Maschine anvertrauen. Am meisten Fragen stellten sie zur katholischen Kirche («Wieso ist der katholische Glaube in der Schweiz im Niedergang?»), gefolgt von Liebe und Beziehung («Was können wir tun, um unsere Beziehung zu pflegen?»). Sie suchten Rat und Unterstützung («Wie kann ich herausfinden, was meine Aufgabe ist im Leben?») und teilten ihre Sorgen mit («Ich habe Angst vor dem Tod. Was geschieht mit mir nach dem Tod?», «Ich fühle mich oft schuldig, weil …») Sie stellten Fragen zum Krieg in Gaza, nach der Existenz Gottes und drückten ihren Wunsch nach innerem Frieden aus. Manche wollten auch wissen, was sie tun könnten, wenn sie am Glauben zweifelten.
Die Gesprächspartner:innen des KI-Jesus waren gemäss den Fragebögen mehrheitlich über 40, gut ein Fünftel sogar über 60, die meisten katholisch, erläuterte Philipp Haslbauer, Mitarbieter des Forschungsteams der HSLU, bei der Präsentation. Allerdings hat laut dem Forschungsteam auch eine kleine Gruppe von atheistischen und nicht-christlichen Gläubigen mit dem künstlichen Jesus gesprochen. Nebst Deutsch wurden die Gespräche auf Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch und viermal sogar auf Chinesisch geführt. Die Mehrheit der Befragten habe das Gespräch als «religiös-spirituell anregend» empfunden.
Internationales Medienecho
Sehr zufrieden zeigte sich Marco Schmid, theologischer Mitarbeiter der Peterskapelle. Das Ziel, Menschen auf niederschwellige Art mit KI in Kontakt zu bringen und sie somit zum Nachdenken über diese neue Technologie anzuregen, sei absolut erreicht. Überrascht seien sie vom grossen, internationalen Medienecho, welches der KI-Jesus ausgelöst habe. Als Theologe, der während der Installation oft im
Kirchenraum anwesend war, habe er bei den Besuchenden nicht nur Neugier und Respekt, sondern auch eine Sehnsucht gespürt, «mit Jesus, also mit Gott sprechen zu können und konkrete Antworten zu bekommen».
Grenzen und Gefahren
Ein autistischer Mann meldete ihm zurück, es sei für ihn einfacher, mit einem KI-Jesus zu sprechen als mit einem menschlichen Seelsorger. Entsprechend sieht Schmid Chancen für den Einsatz von KI in der Seelsorge für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Dennoch ist er sich der Gefahren und damit auch der ethischen Grenzen eines solchen Projekts bewusst. «Solche Projekte müssen zeitlich begrenzt und begleitet sein», sagt Schmid. Aljosa Smolic von der HSLU fügte hinzu, man wisse nie, wie die Maschine reagiere. Daher brauche es begleitende Massnahmen.