Kleine, aber wichtige Schritte

Im Oktober fand in Rom die Bischofssynode statt. Bischof Felix Gmür und Helena Jeppesen-Spuhler vertraten dort die Schweiz. In Aarau sprachen sie über ihre Erfahrungen. 
 

Von Marie-Christine Andres (Aargauer Pfarreiblatt «Horizonte») |  14.12.2023

Bischof Felix Gmür und Helena Jeppesen-Spuhler sahen an der Weltsynode in Rom kleine Schritte der Veränderung. Bilder: Roger Wehrli

Der Reformbedarf und das Reformtempo klaffen in der katholischen Kirche weit auseinander. Das brachte eine Zuhörerin auf den Punkt, als sich das Publikum nach etwa 45 Minuten erstmals zu Wort melden durfte: «Wenn ich Aussenstehenden erkläre, dass es historisch ist, dass wir in der Kirche jetzt miteinander reden, am gleichen Tisch sitzen, einander zuhören, dann lachen die sich kaputt. Ich habe diese kleinen Schritte so satt!». Der spontane Applaus für dieses Votum zeigte, dass sie nicht die Einzige war, die sich konkrete Ergebnisse von diesem ersten Teil der Weltsynode in Rom erhofft hatte.

Überraschend war das freie Wort

Resultate konnten Bischof Felix Gmür und Helena Jeppesen-Spuhler, die für die Schweiz an der Weltsynode in Rom teilgenommen hatten, keine präsentieren. Die Synode sollte dem gegenseitigen Zuhören dienen, dem Austausch über brennende Fragen in den einzelnen Ländern, dem gemeinsamen Vorwärtsgehen, eben der Synodalität, dienen. Helena Jeppesen-Spuhler und Bischof Felix Gmür machten klar, dass genau dieses gegenseitige Zuhören, das Einbeziehen aller, ein gewaltiger Entwicklungsschritt für die katholische Kirche ist. Bischof Felix berichtete: «Für mich überraschend war das freie Wort. Niemand musste Angst haben, was er oder sie sagt. Das war für mich neu. Und noch etwas war neu: Man hat sich wirklich zugehört. Es gab keine Kommentare zu den einzelnen Voten, nur Zuhören und Setzenlassen. Das hat die Toleranz gefördert.»

Helena Jeppesen-Spuhler gehörte zu den 54 Frauen, die erstmals in der Geschichte an einer Bischofssynode mitreden und abstimmen durften. Sie bekräftigte vor dem Publikum in Aarau: «Der wichtigste Beschluss dieser Synode ist, dass die katholische Kirche auf synodal umgebaut wird. Mitsprache auf allen Ebenen wird möglich. Da müssen wir nicht auf Rom warten. Wir können unsere Kirche hier so gestalten, dass sie funktioniert.» Die Diskussion zur Rolle der Frau sei einer der stärksten Momente der Synode gewesen, wo sie die heilige Geistkraft gespürt habe: «Es gab Kardinäle, die sagten, sie schämten sich, dass nicht die Hälfte der Synode aus Frauen bestehe.»

Zwei Prozesse laufen parallel

Der Abend in Aarau sollte auch aufzeigen, wo der Synodale Prozess im Bistum Basel steht. Denn wie Damian Käser-Casutt erklärte, laufen zwei Prozesse gleichzeitig ab: Da ist einerseits der weltweite Synodale Prozess, der im Herbst 2021 mit der Befragung aller Gläubigen in den Pfarreien begonnen hatte. Seinen Abschluss findet dieser Prozess im Herbst 2024 mit dem zweiten Teil der Weltsynode in Rom. Parallel zur Weltkirche läuft der synodale Prozess auch auf diözesaner Ebene. Ziel ist die Weiterentwicklung der synodalen Kultur des Bistums Basel. Drei Mitglieder der Begleitgruppe gaben in Aarau Auskunft über den laufenden Prozess im Bistum:Andrea Meier, Fachstellenleiterin Kinder und Jugend der katholischen Region Bern, Edith Rey Kühntopf, Regionalverantwortliche der Bistumsregion St. Verena und Luc Humbel, Präsident des Kirchenrates der Römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Aargau. Sie hatten im September an der dreitägigen Synodalen Versammlung in Bern teilgenommen, bei der 100 Personen aus allen zehn Bistumskantonen darüber berieten, wie sich das Bistum in den nächsten 30 Jahren entwickeln solle.

«Ich stelle fest: Es interessiert nicht»

Andrea Meier, Edith Rey Kühntopf und Luc Humbel berichteten, dass die Teilnehmenden in Bern einander wirklich zugehört hätten, es keine Hierarchien gab und die Stimmung trotz bunt zusammengewürfelter Gruppe sehr gut gewesen sei. Die liturgischen Feiern wirkten stärkend und verbindend. Dennoch seien auch Gräben zum Vorschein gekommen. Andrea Meier sagte: «Es gibt Gruppen, die einander nicht verstehen können. Da gibt es Arbeit, da braucht es Entscheidungen. Es wird hoffentlich weitere Synodale Versammlungen geben, damit wir eine neue Art zu reden einüben können.» Auf eine Frage aus dem Publikum, welcher Schritt im Bistum als nächster angegangen werde, antwortete Luc Humbel: «Nächstes Traktandum im Bistum ist die Missio-Frage.»

Ein Schwachpunkt der Synodalen Versammlung in Bern war aus Sicht von Edith Rey Kühntopf, dass junge Menschen nur schwach vertreten waren: «Das müssen wir uns für ein nächstes Mal breiter aufstellen», befand sie. Zehn der hundert Plätze in Bern waren per Los vergeben worden, jede und jeder konnte sich also bewerben. Doch diese Auslosung sei wenig gefragt und die zehn Plätze zu besetzen gar nicht so einfach gewesen, erklärte Luc Humbel. «Das hat mich nicht nur enttäuscht, sondern frustriert.»

Luc Humbel deutete auf die Bankreihen in der Kirche Peter und Paul: «Auch hier: Wir sind in der Phase des grössten Umbruchs der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten und ich stelle fest, dass es nicht mehr interessiert.» Eingeladen in die Kirche Peter und Paul in Aarau waren bistumsweit alle, die sich für den Synodalen Prozess interessieren. Gekommen waren knapp 70 Personen, darunter viele Seelsorgende und Mitarbeitende der Fachstellen der Aargauer Landeskirche. Luc Humbel: «Ich freue mich über jeden, der da ist. Doch stellt sich mir die Frage, wie repräsentativ das ist. Da ringe ich mit mir.»

Innen und aussen

Die fehlende Ausstrahlung der Kirche, die fehlende Lebendigkeit, beschäftigten auch die Zuhörerinnen und Zuhörer, wie die Wortmeldungen zeigten. Bischof Felix sagte dazu: «Unser Christentum muss nach aussen wirken. Egal, wie wir innerhalb funktionieren.» Er erzählte von seinem Sitznachbarn an der Synode in Rom, Luca, ein Aktivist, der Flüchtlinge aus dem Mittelmeer rettet: «Er leistet einen vollwertigen Einsatz für das Reich Gottes und hat nichts mit den Strukturen der Kirche zu tun.» Kirche müsse im Innen unkompliziert funktionieren, um nach aussen zu wirken. Luc Humbel betonte aber die Notwendigkeit von inneren Reformen: «Ich kämpfe dafür, dass meine Kirche im Innen gleiche Rechte und gleiche Würde für alle Menschen praktiziert. Solange die Kirche ausgrenzt, ist sie nicht nur für junge Menschen nicht interessant, sondern verliert auch die alten.»

Doch etwas Konkretes

Die Zuhörerinnen und Zuhörer, die «Ergebnisse, statt fromme Worte» sehen wollten, konnten sich daran festhalten, dass sich sowohl Helena Jeppesen-Spuhler als auch Bischof Felix Gmür überzeugt zeigten, dass dezentrale Lösungen für brennende Fragen gefunden werden können. Helena Jeppesen-Spuhler sagte: «Das Diakonat der Frau scheint mir realistisch, den Zugang zu allen Ämtern müssen wir am zweiten Teil der Weltsynode diskutieren.» Bischof Felix Gmür fragte: «Wie kann man die jungen Leute interessieren für das Reich Gottes? Wie kann das Christentum Sauerteig sein in dieser Welt? Ein Weg für mich ist, dass die Pfarrei wahrgenommen wird als Gruppe von Menschen, die für andere da ist. Dafür brauchen wir Diakoninnen, um im Namen Gottes offiziell für andere da zu sein. Dass es in Zukunft Diakoninnen gibt, dafür setze ich mich persönlich ein.»

Helena Jeppesen-Spuhler hat sich während des Monats in Rom mit anderen Frauen vernetzt, sich mit Bischöfen und Kardinälen ausgetauscht, zugehört, gesprochen und unermüdlich gearbeitet. Sie sagte: «Wir haben kleine Schritte erkämpft, die wichtig sind.»