Kleine Weihnachten im Sommer

Am Johannistag (24. Juni) ist die Sonne auf dem Höchststand. Danach werden die Tage wieder kürzer. Im Pastoralraum Sursee ruft man die Sonnenwende mit einem Johannisfeuer ins Bewusstsein.

 

Von Sylvia Stam |  13.06.2024

Die Sonne geht allmählich unter, doch das Johannisfeuer erhellt die Nacht. Die Lichtsymbolik steht am Johannisfest im Zentrum. Bilder von 2023: Werner Mathis

«Hier zu stehen und zu schauen, ist schon ein Gebet», sagt Daniela Müller, Seelsorgemitarbeiterin im Pastoralraum Sursee. Tatsächlich: Der Blick von der Flüsskapelle oberhalb von Nottwil auf den Sempachersee, im Rücken die Pilatuskette, dazu der betörende Duft zweier Linden – das alles lässt einen für einen Moment den Alltag vergessen. «Die Menschen sollen hier am Feuer zur Ruhe kommen», sagt Müller, die als Ritualfachfrau und als Katechetin ausgebildet ist.

Auf Anregung von Claudio Tommasini, ehemaliger Leiter des Pastoralraums Region Sursee, hat Müller die schlichte Feier rund um das Johannisfeuer eingeführt. Sie findet jedes Jahr an einem anderen Ort im Pastoralraum statt. 2023, als dieser Text entstand, wurde die Feier von der Katechetin Heidi Jetzer und Esther Huber an der Gitarre mitgestaltet.

Johannes verweist auf Jesus

Gut 20 Leute haben sich an diesem Vorabend des Johannistages (24. Juni) eingefunden. Nachdem die letzten Alphornklänge eines Quartetts der Alphorngruppe Roggwil verklungen sind, stellen sie sich im Kreis rund um die grosse Feuerschale auf. Daniela Müller erklärt, dass das Feiern der Sonnenwende keltisch-germanischen Ursprungs sei. Doch auch das Christentum habe sich diese Symbolik zu eigen gemacht: «Das abnehmende Licht weist auf die Worte Johannes des Täufers: ‹Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen›.» Damit kündige er die Geburt Jesu an, aus diesem Grund nenne man das Johannisfest auch «kleine Weihnachten».
 

Katechetin Heidi Jetzer (links) und Initiantin Daniela Müller.

Daniela Müller lädt die Anwesenden ein, im eigenen Herzen nachzuspüren, was anstehe, was sich verändern wolle. Zwei junge Frauen entzünden nun das Feuer. Die Anwesenden sind eingeladen, ein Holzscheit und etwas Weihrauch ins Feuer zu werfen, als Ausdruck dessen, was sie loslassen möchten. «Johannes ermutigt uns, den Ruf Gottes zu hören und unsere Berufung zum Menschsein zu leben», sagt Heidi Jetzer, ehe das «Vater unser» gemeinsam gebetet wird. Mit der Bitte um Gottes Segen an hellen wie an dunklen Tagen endet die rund 30-minütige Feier.

Sonnenwende bewusst feiern

Die Sonne ist inzwischen untergegangen. Bei Süssmost und Kirschen vom nahe gelegenen Bauernhof verweilen die Leute noch eine Weile rund um das Feuer. «Es ist schön, den längsten Tag im Jahr auf diese Weise bewusst wahrzunehmen», sagt eine Frau aus Nottwil gegenüber dem Pfarreiblatt. Der Anblick des Feuers in der Sommernacht hat ihr gefallen. Ein Besucher aus Oberkirch ist ebenfalls begeistert. «Ich habe noch nie über die Sonnenwende nachgedacht, aber ich fand es schön, das so bewusst zu feiern und dabei ein Anliegen ins Feuer zu werfen.»

Johannisfeier 2024: So, 23.6., 21.00, Kapelle Mariazell in Sursee