Mein Leben in die Hand nehmen
Offen über psychische Krankheiten sprechen: Das ist in Luzern neu in der Zwitscherbar möglich. Ende Februar startet Karin Reinmüller dort ein «Café für psychische Gesundheit».
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«Jeder gibt so viel preis, wie er oder sie will», sagt Karin Reinmüller. Sie ist Expertin aus eigener Erfahrung. | Bild: Sylvia Stam
«Praktisch alle sind irgendwie von psychischen Krankheiten betroffen», sagt Karin Reinmüller, «entweder aus eigener Erfahrung oder man kennt jemanden im Familien- oder Bekanntenkreis.» Karin Reinmüller ist eine sogenannte «Peer»; sie ist also «dafür ausgebildet, als selbst Betroffene mit und für andere Betroffene zu arbeiten». Daher beginnt sie in der Zwitscherbar beim Vögeligärtli in Luzern ein «Café für psychische Gesundheit». Es richtet sich an direkt Betroffene, Angehörige oder Interessierte und will einen offenen Austausch zu Themen wie Hoffnung, Einsamkeit oder Stigmatisierung ermöglichen.
Diagnose darf privat bleiben
«Die Gespräche finden in einem separaten Raum statt und jede:r gibt so viel von sich preis, wie er oder sie will.» Diagnosen wie Depression, Angststörung oder Suchterkrankungen müssen also nicht offengelegt werden, versichert Reinmüller. Auch verpflichten sich die Teilnehmenden, das Gehörte nicht nach aussen zu tragen.
«Psychische Erkrankungen oder Erschütterungen, wie manche sagen, sind in unserer Gesellschaft stark stigmatisiert», weiss Reinmüller. «Während körperliche Behinderungen einigermassen akzeptiert sind, gelten psychisch Kranke als nicht konform. Sie fallen aus dem gesellschaftlichen Raster. Das macht Angst.» Entsprechend gebe es wenig Orte, wo man offen über psychische Erschütterungen sprechen könne.
Blick auf das eigene Handeln
Das Café in der Zwitscherbar soll dennoch keine Selbsthilfegruppe sein. «Es kann interessant sein, wenn eine betroffene Person von einer Angehörigen hört, wie diese die Depression ihres Mannes erlebt.» Noch spannender würde es, wenn etwa ein Polizist in der Runde sässe, der auf der Strasse Menschen trifft, die durch ihr Verhalten auffallen, stellt sich Reinmüller vor. Daher das offene Setting.
Karin Reinmüller führt zu Beginn in das Thema ein und moderiert das Gespräch so weit nötig. Wichtig ist ihr, dass dieses weiterführt und nicht herunterzieht. Wenn das Gespräch etwa zu einer Art Wettbewerb über schlimme Erfahrungen wird, würde sie fragen: «Was könnt ihr jetzt schon tun, damit das nicht wieder passiert?» Der Blick wird somit auf die Zukunft und auf frühzeitiges Handeln gerichtet. «Die Menschen sollen ihr Leben mit der Krankheit so gestalten, dass sie sagen können: ‹Damit kann ich leben. Und ich bestimme das selber›», erklärt Reinmüller. Letzteres sei wichtig, denn Betroffene erlebten sich in Klinik, Wohnheim oder geschützter Arbeitsstätte oft fremdbestimmt.
Reinmüller, die auch Theologin ist und als Seelsorgerin in der Zwitscherbar tätig, stellt klar: «Ich mache das nicht als Seelsorgerin.» Für spirituelle Themen sei die Runde offen, aber auch ein Atheist dürfe sich dabei nicht ausgeschlossen fühlen.
Einmal monatlich
Das «Café für psychische Gesundheit» findet einmal monatlich jeweils an einem Montag von 15 bis 16.30 Uhr statt. Die Teilnahme ist kostenlos und ohne Anmeldung möglich. Themen:
- 24.2.: Kennenlernen – ohne Hoffnung geht es nicht
- 17.3.: Was brauche ich für ein gutes Leben?
- 14.4.: Einsamkeit und Verbundenheit
- 19.5.: Stigmatisierung – wie damit umgehen?
Details: zwitscherbar.ch