Mit dem KI-Jesus im Beichtstuhl
In der Peterskapelle Luzern kann man mit einem KI-Jesus ins Gespräch kommen. Die Kunstinstallation will Chancen und Grenzen von künstlicher Intelligenz sichtbar machen. Ein Selbstversuch.
Philipp Haslbauer im Gespräch mit dem KI-Jesus, den er programmiert hat. | Bild: Peter Diem, Lukasgesellschaft
Mit einem sanften Ton startet der Bildschirm auf. Er befindet sich in einem Beichtstuhl der Peterskapelle Luzern. Hinter dem Gitterchen erscheint das leicht verpixelte Gesicht eines weissen Mannes mit langem, braunem Haar, wie Jesus auf vielen Gemälden abgebildet wird. Da er nicht von sich aus zu reden beginnt, stelle ich ihm eine Frage: Was ist der Sinn des Lebens? Einen Moment bleibt es still. Dann bewegt die Figur die Lippen und eine Stimme antwortet: «Alles hat seinen Ursprung in mir und ohne mich ist nichts erschaffen worden. Das Leben selbst liegt in mir und es ist das Licht der Menschen. Dieses Licht leuchtet auch in den dunkelsten Momenten. Der Sinn des Lebens findet sich im Erkennen dieser Wahrheit.»
Als Seelsorger programmiert
Die recht allgemein gehaltene Antwort des digitalen Jesus wurde mit künstlicher Intelligenz (KI) generiert. Zugrunde liege das Neue Testament in der Einheitsübersetzung, sagt Marco Schmid, theologischer Mitarbeiter der Peterskapelle. Der KI-Jesus sei ausserdem so programmiert, dass er mit einer seelsorgerlichen Haltung antworte, ergänzt Philipp Haslbauer vom «Immersive Realities Research Lab» der Hochschule Luzern, das die Kunstinstallation mitverantwortet.
Der KI-Jesus versucht tatsächlich, durch Gegenfragen mit mir ins Gespräch zu kommen. Ich will wissen, warum meine Freundin an einer Krankheit leiden muss. «Die tiefere Wahrheit des Leidens kann oft nur durch den Glauben und die Nähe zu Gott erkannt werden. Auch im grössten Schmerz kann eine tiefe Verbindung zur göttlichen Kraft entstehen», sagt er mit Bezug auf eine biblische Heilungsgeschichte. Und endet mit der Frage: «Wie möchtest du deinen Glauben vertiefen, um in dieser Prüfung Trost und Stärke zu finden?»
Fromm und unverbindlich
Das Wort «Glaube» benutzt der KI-Jesus oft, wodurch seine Antworten fromm und oft floskelhaft wirken. Weil sie aus biblischen Texten zitieren, sind sie bisweilen sehr traditionell. Sexualität ausserhalb der Ehe etwa betrachtet er als Sünde: «Gott wird diejenigen richten, die Unzucht und Ehebruch begehen. Diese Gebote sollen uns helfen, Beziehungen zu pflegen, die auf Vertrauen und Liebe basieren.» Bei kirchenpolitischen Themen ist er toleranter, öfters relativiert er eine Bibelstelle, indem er sie in den zeitgenössischen Kontext stellt. Auf die Frage, warum Frauen nicht Priesterinnen werden können, reagiert er offener als der Vatikan, jedoch auch unverbindlich: «Es gibt immer Raum für Diskussionen über Traditionen und wie sie sich entwickeln können.»
Potenzial in der Seelsorge
«Der KI-Jesus ist eine Maschine, die ihre Grenzen hat», gibt Marco Schmid unumwunden zu. Anliegen der experimentellen Kunstinstallation sei es, «eine konkrete Erfahrung mit KI zu ermöglichen. Denn wir können uns dem nicht entziehen.» Schmid sieht Potenzial für KI in der Seelsorge: «Viele Besucher:innen fühlen sich religiös-spirituell angesprochen», sagt er aufgrund von Rückmeldungen. «Die Maschine urteilt nicht über mich, egal, was für Fragen ich stelle.» Entsprechend sollten auch Kirchen sich fragen: «Wie kann KI verantwortungsvoll eingesetzt werden?» Sylvia Stam
Noch bis 20. Oktober, Peterskapelle Luzern