Mystischer Metallkünstler

Die Ikonen von Josua Boesch inspi­rieren bis heute. Eine Wanderausstellung erinnert daran, dass der Eremit und Künstler am 15. November 100 Jahre alt würde. 

Von Sylvia Stam |  13.10.2022

«Wir sollten diesen Schatz des Christentums bergen», sagt Verena Frei-Boesch, die Tochter von Josua Boesch. Bild: Sylvia Stam

«In diesem Stein steckt ein verstei­nertes Ahornblatt», sagt Verena Frei-Boesch (69) und zeigt auf eine der Metall-Ikonen ihres Vaters Josua Boesch, die bis Anfang September in der Propstei Wislikofen ausgestellt sind. «Manchmal kamen Leute zu ihm, zum Beispiel mit einem Stein oder Holz, und fragten: ‹Kannst du mir daraus etwas machen?›» Eigenheiten wie Flechten, Risse, Farben und Strukturen faszinierten ihn.

«Meinem Vater war es sehr wichtig, seine eigene Aufgabe zu finden», erzählt Frei-Boesch. Sie ist Gründungsmitglied des Fördervereins, der die Ausstellung konzipiert hat. Sie war 21 Jahre alt, als ihre Eltern sich im Einvernehmen trennten, weil Josua Boesch sich zum Künstler und zum Eremiten berufen fühlte. «Meine Eltern haben nie mit meinem Bruder und mir über ihre Scheidung gesprochen, es war ihre Entscheidung.» Sie habe das keinen Moment hinterfragt, sondern gewusst: «Er macht das, was er wirklich wollte.» Für ihre Mutter sei es allerdings nicht leicht gewesen, mit 53 nochmals von vorne anzufangen.

Verspielt und präsent

Als feinfühlig und verspielt charakterisiert sie ihren Vater, «man konnte sogar mit ihm herumjoggeln». Er habe aber auch vieles durchlitten, «das hat ihn stark gemacht.» Gleichzeitig sei er immer sehr präsent gewesen. «Wenn wir gemeinsam am Esstisch sassen, wussten wir: Jetzt ist er ganz für uns da.» Genauso sei er auch als Pfarrer und als Künstler jeweils ganz bei dem gewesen, was er gerade tat.

Zu seinen Ikonen und Texten fand Verena Frei erst nach seiner Rückkehr in die Schweiz (1997) einen Zugang, als sie ihn an seine Ausstellungen begleitete. Sie konnte dazu aus ihrem Wissen über spirituelle Baumheilkunde schöpfen, sagt die gelernte Kinderkrankenschwester. «Bäume sind ein uraltes Symbol, sie erinnern uns daran, wie wichtig es ist, verwurzelt zu sein und uns dem Licht zuzuwenden, um ‹auferstehungsleicht› zu werden, würde mein Vater sagen.»

Brücke zu Kirchenfernen

Verena Frei sieht sich auch als Brückenbauerin, etwa zu eher kirchenfernen Menschen, die genauso zu Boeschs Ikonen Zugang finden können. Sie, die von sich selber sagt, sie sei «vor allem Mensch, nicht Christin», fügt an: «Wir sollten diesen Schatz des Christentums bergen. Es wäre schade, in der Ablehnung alles über Bord zu werfen.» Auch dazu möchte der Förderverein mit dieser Ausstellung beitragen.

Ikonen und Psalmen

Josua Boesch (1922–2012) war reformierter Pfarrer und Goldschmied. Mit 57 Jahren verliess er Pfarramt und Familie und lebte 18 Jahre als Eremit in der Toskana. Bekannt wurde er für seine Metall-Ikonen und Psalmübersetzungen ins Zürichdeutsche. Die Wanderausstellung zeigt eine kleine, repräsenta­tive Auswahl von Ikonen und Texten des Künstlers, der im November 100 Jahre alt geworden wäre.