Nationale Meldestelle erst 2025

Betroffene von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche sollen künftig überall in der Schweiz gleich behandelt werden. Es braucht aber mehr Zeit, um eine nationale Anlaufstelle einzurichten.

Von Jacqueline Straub, kath.ch / do |  28.06.2024

Das Thema Missbrauch liegt seit bald einem Jahr wie ein Schatten über der katholischen Kirche Schweiz. | Symbolbild: Manuela Matt

Die Kirche hatte mit der Vorstellung der Pilotstudie Missbrauch im September verschiedene Massnahmen verkündet, um Missbrauch aufzudecken und zu verhindern. Diese richtig umzusetzen, sei ein anspruchsvolles Unterfangen, sagte der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain bei einem Mediengespräch am 27. Mai. Hier wurde ein Zwischenbericht zur Umsetzung der Massnahmen vorgestellt. Er betonte, es müsse eine gemeinsame, nationale Strategie gefunden werden. Stefan Loppacher, Präventionsbeauftragter und Sprecher des Fachgremiums «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld» der Bischofskonferenz, verwies auf die Kirchenlandschaft der Schweiz, die neben verschiedenen Kulturen und Sprachen auch unterschiedliche Kirchenstrukturen aufweise. Dieser Föderalismus sei ein Grund dafür, weshalb die Umsetzung der Massnahmen nicht schneller vorangehe.

Das Geld ist am falschen Ort

Roland Loos, Präsident der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ), sieht in der Autonomie der Bistümer, Landeskirchen und Orden eine «enorme Herausforderung». Es fehle nicht grundsätzlich an Geld, so Loos, «aber die Mittel stehen nicht auf nationaler Ebene zur Verfügung».

Für Loppacher ist es die Schlüsselfrage, wie Missbrauchsbetroffene möglichst unabhängig und professionell beraten werden. So müssten Meldestrukturen und Beratung von Betroffenen voneinander getrennt sein. Alle Betroffenen sollen an kantonale Opferhilfestellen verwiesen werden. Derzeit sind die Auftraggeberinnen der Studie – Bischofskonferenz, RKZ und Vereinigung der Ordensoberen – in Gesprächen mit diesen Stellen, um sich am Mehraufwand zu beteiligen. Ziel sei es, im Januar 2025 eine nationale Meldestelle zu haben.

Eine weitere Massnahme betrifft die psychologische Abklärung von Seelsorgenden. Die Assessments sollen auffällige Persönlichkeitsstrukturen sichtbar machen. Eine dritte Massnahme umfasst die Standards für Personaldossiers und den Informationsaustausch. Missbrauchstäter zu versetzen, war in der Vergangenheit möglich, da zu wenig Austausch stattfand. Bonnemain berichtete schliesslich, dass es einen letzten Schritt brauche, um ein nationales kirchliches Strafgericht einzurichten. Hierzu bedarf es einer Erlaubnis aus Rom, damit die Bischofskonferenz ein Konzept erarbeiten kann, und dafür wiederum müssen alle Mitglieder der Bischofskonferenz dem Projekt zustimmen.

Und die Betroffenen?

Vreni Peterer, Präsidentin der IG Missbrauchsbetroffene im kirchlichen Umfeld, unterstützte die vorgestellten Massnahmen. Dennoch äusserte sie Kritik. Sie verstehe, dass die Errichtung einer Meldestelle komplex sei, trotzdem hätte sie sich gewünscht, dass diese Stelle schon bis September 2023 gestanden hätte. «Mir fehlt die Betreuung der Betroffenen, die jetzt da sind. Bei uns haben sich 54 gemeldet.» Viele von ihnen sprächen zum ersten Mal über das Erlebte. Peterer forderte weiter, auch spirituellen Missbrauch in den Konzepten zu benennen. «Denn das ist der Nährboden für sexuellen Missbrauch.»