Neue Perspektiven schaffen
Dörfern neues Leben einhauchen, damit junge Menschen im Tal der Christ:innen bleiben. Das versucht Georges Khawam, Erzbischof in Syrien. Auf Einladung des Heiligland-Vereins war er in Luzern.
Blick ins Tal der Christ:innen im Erzbistum Latakia, Syrien. Bild: Heiligland-Verein
Welche Hoffnungen haben die Menschen im Tal der Christ:innen?
Georges Khawam: Eine der verheerendsten Konsequenzen des Krieges ist die Perspektivlosigkeit. Die Leute leben von einem Tag auf den andern, ohne Plan.
Wie sehr ist der Krieg in der Gegend spübar?
Wir spüren vor allem die Wirtschaftskrise als Folge des Krieges. Die Sanktionen, die viele Länder gegenüber Syrien ergriffen haben, verhindern den Handel. Grosse Unternehmen können die Rohstoffe nicht mehr im Land verarbeiten lassen.
Wie wirkt sich das konkret auf die Bevölkerung aus?
Die Wirtschaftskrise hat Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen, sie führt zu Arbeitslosigkeit, und in der Folge gibt es in der Region eine starke Abwanderung. Vielen Menschen fehlt das Geld für Kleidung, Essen, Medikamente. Manche Eltern können die Ausbildung ihrer Kinder nicht bezahlen.
Was können Sie dem als Bischof entgegensetzen?
Ich kam vor zwei Jahren in diese Region und habe mich als Erstes gefragt, wie man junge Menschen dazu bewegen kann, hier zu bleiben und nicht auszuwandern. Vor allem das Dorf Haret Assaraya wurde im Krieg massiv zerstört, viele Bewohner:innen sind
in umliegende Täler oder ins Ausland geflohen. Mit Unterstützung des Hilfswerks «Kirche in Not» konnten die Kirche und das Pfarrhaus wieder aufgebaut werden. Gut zwanzig Häuser
in der Nähe der Kirche gehören dem Erzbistum. Diese Räume konnten mit Unterstützung des Heiligland-Vereins restauriert werden.
Mit welcher Wirkung?
Pfadfinder:innen und junge Frauen möchten die Räume als Begegnungszentrum nutzen. Das motiviert die Dorfbewohner:innen, ihre Läden wieder zu öffnen. Für die Innenausstattung der Räume wurden lokale Schreinereien angefragt.
Haben Sie weitere Projekte?
Im Dorf Mashta Azar gibt es ein Kloster, wo seit den 1960er-Jahren eine kleine Frauengemeinschaft lebt. Die Ordensfrauen übernehmen seelsorgerliche Aufgaben: Sie leiten einen Kinderhort, machen Krankenbesuche usw. Die Gebäude sind jedoch in schlechtem Zustand. Wir möchten diese sanieren und eine Kindertagesstätte errichten. Damit können wir jungen Frauen eine Arbeitsstelle ermöglichen.
Woher nehmen Sie die Kraft, um dranzubleiben?
Ich bin bei den Menschen, und als Bischof habe ich die Möglichkeit, Gesuche zu stellen und Kontakte zu Geldgeber:innen herzustellen, wenn ich denn Strom und Internet habe (lacht). Oft haben wir mehrere Stunden keinen Strom. Oder wir haben zwar Strom, aber kein Internet. Solche Schwierigkeiten verzögern unsere Arbeit leider.
Das Interview wurde auf Französisch geführt.
Heiligland-Verein
Georges Khawam ist melkitischer Erzbischof von Latakia, Tarus und dem Tal der Christ:innen in Syrien. Er weilte auf Einladung des Heiligland-Vereins in Luzern.