«Ökumene entspricht dem Willen Jesu»

Kurt Koch, Schweizer Kardinal in Rom, wird am 15. März 75 Jahre alt. Ein Gespräch über Happy Birthday im Vatikan, Ökumene in der Schweiz und Diplomatie im Nahost-Konflikt.

Von Sylvia Stam |  15.03.2025

«Die Säkularisierung kann der Anlass für Ökumene sein, aber niemals der Grund»: Kardinal Kurt Koch. | Bild: Martin D. Zemp

Wie feiert man im Vatikan Geburtstag?
Kardinal Kurt Koch:
(lacht) In der Schweiz wird der Geburtstag intensiver gefeiert als im Vatikan. Ich nehme an, dass es in meinem Dikasterium (eine Behörde des Vatikans, d. Red.) einen Kaffee und eine Ansprache geben wird und dass die Mitarbeitenden mir ein Happy Birthday singen. 

Wird der Papst Ihnen in irgendeiner Form gratulieren?
Das weiss ich nicht. Der Papst pflegt jeweils zum Namenstag Glückwünsche zu senden, nicht zum Geburtstag.

Bischöfe müssen dem Papst mit 75 ihren Rücktritt anbieten. Wie ist das bei Kardinälen?
Das gilt ebenso. Alle Vorsteher von Dikasterien reichen mit 75 ihre Demission ein. Der Papst entscheidet, ob er diese annimmt oder nicht.

Angenommen, der Papst nimmt Ihren Rücktritt an: Wären Sie froh?
Ich mache mir vorab keine Gedanken darüber. Wenn keine gesundheitlichen Gründe geltend gemacht werden, entscheidet der Papst die Frage, ob er den Kardinal in dieser Funktion weiterhin braucht. Wegfallen würde in meinem Fall die Hauptarbeit, nämlich die Leitung des Di­kasteriums zur Förderung der Einheit der Christen. Die Arbeit als Mitglied in anderen Dikasterien wird zumeist bis zum 80. Geburtstag weitergeführt.

Was gefällt Ihnen am Kardinalsamt besser als am Bischofsamt?
Als Diözesanbischof hat man eine konkrete Gemeinschaft vor sich, mit vielen Besuchen in den Pfarreien. In meinem Dikasterium habe ich die Aufgabe, mit allen christlichen Kirchen in Kontakt zu sein, darum reise ich sehr viel. Bischöfliche Aufgaben wie Firmungen nehme ich nur noch selten wahr, vereinzelt kommen solche Anfragen aus der Schweiz. Doch ich bin jetzt für die Universalkirche zuständig, nicht für die Schweiz.

In Pastoralräumen hierzulande scheitern ökumenische Projekte bisweilen an den personellen Ressourcen. Was sagen Sie als Ökumeneminister dazu?
Ökumene ist nicht einfach eine zusätzliche Arbeit, sondern vielmehr eine Brille, mit der ich alle meine Aufgaben anschaue: Wie nehme ich meinen Dienst in ökumenischer Verantwortung wahr? Seelsorge ist ohnehin eine Aufgabe ohne Ende. Es ist unumgänglich, Prioritäten zu setzen. 

Und Sie erwarten, dass man diese bei der Ökumene setzt. 
Die Ökumene ist eine Priorität unter anderen. Der Vorteil von Pastoralräumen ist, dass man Aufgaben aufteilen kann. Jemand könnte spezifisch für die ökumenischen Beziehungen zuständig sein, die anderen wären davon etwas entlastet. Ich spüre immer wieder eine gewisse Resistenz gegenüber den Pastoralräumen, weil jeder und jede gern Chef oder Chefin im eigenen Haus sein will. 

Sehen Sie in der zunehmenden Säkularisierung eine Chance für die Ökumene, etwa dass wir gemeinsam als Christ:innen besser sichtbar sind? 
Die Säkularisierung kann der Anlass für Ökumene sein, aber niemals der Grund. Im Johannesevangelium (17,21) betet Jesus: «Sie sollen eins sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.» Dem Willen Jesu zu entsprechen, ist der Grund für die Ökumene. Die Säkularisierung kann ein Anlass sein, dass man sagt: Wir müssen zusammenarbeiten, weil wir in einer schwierigen Situation sind. 

Kurt Koch wurde am 15. März 1950 in Emmenbrücke geboren. Von 1996 bis 2010 war er Bischof von Basel, ehe ihn Papst Benedikt XVI. zum Kardinal berief. | Bild: Martin D. Zemp

Von jüdischer Seite wird bedauert, dass der Papst die Anschläge der Hamas nicht explizit verurteilt. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Der Papst hat die Anschläge in allgemeiner Weise verurteilt. Er hat zudem eine Repräsentantin der Geiseln und eine Repräsentantin der Palästinenser:innen zu sich eingeladen. Das ist seine Art, auf den Konflikt zu reagieren. Der Heilige Stuhl sieht seine Aufgabe darin, Konflikte lösen zu helfen und in Konflikten zu vermitteln. Um das zu können, braucht es eine gewisse Neutralität. Es ist eine alte Tradition der vatikanischen Diplomatie, die guten Dienste zur Verfügung zu stellen. In diesem Konflikt gibt es zudem einerseits die Scheusslichkeiten des 7. Oktobers. Auf der anderen Seite leben in Gaza Palästinenser:innen, die Christ:innen sind. Der Papst muss abwägen, was er genau sagt, damit diese sich nicht verletzt und im Stich gelassen fühlen. 

Er könnte die Anschläge der Hamas und die Reaktion der israelischen Regierung verurteilen. 
Er hat beides verurteilt, aber vielleicht nicht so explizit, wie man das von einem Politiker erwartet. Doch daraus darf man nicht schliessen, dass es ihn nicht berührt. In jedem Angelus-Gebet werden der Ukraine-Krieg und der Krieg in Nahost erwähnt. Und der Papst steht immer auf der Seite der Opfer.

Antwort zurückgenommen

Die Missbrauchsstudie vom Herbst 2023 wirft Kurt Koch Versäumnisse in einem Fall vor, der in seine Amtszeit als Bischof von Basel fiel. Im vorliegenden Interview wurde Kardinal Kurt Koch um eine Stellungnahme zu diesen Vorwürfen gebeten. Nachträglich wollte er seine Antwort nicht freigeben mit der Begründung, er könne sie in der Kürze eines Interviews nicht verantwortet beantworten.