Schön und praktisch sollte es sein
Vor 50 Jahren wurde das neue Mutterhaus der Baldegger Schwestern eröffnet. Der Bau von Architekt Marcel Breuer besticht bis heute mit seiner sorgfältigen Gestaltung.
Heutige und ehemalige Mitglieder der Klosterleitung (von links): Sr. Nadja Bühlmann, Sr. Marie-Ruth Ziegler, Sr. Martine Rosenberg und Sr. Zita Estermann (derzeitige Generaloberin). Bild: Dominik Thali
Als Schwester Martine Rosenberg im November 1961 ins Kloster eintrat, wurde ihr ein Bett in einem der Schlafsäle zugewiesen. «Ich war die vierzigste in unserem Saal», erinnert sich die heute 82-Jährige. Die Gemeinschaft wuchs auf 1000 Schwestern gegen Ende der sechziger Jahre. Das Kloster musste bauen.
«Marcel Breuer hat uns den Schnickschnack aufgetrieben.»
Sr. Martine Rosenberg
Doch das Siegerprojekt des Architekturwettbewerbs gefiel der Gemeinschaft nicht. «Das sah mehr aus wie ein Kongresshaus», erinnert sich Sr. Martine. Der Orden gelangte deshalb an Marcel Breuer, einen aus Ungarn stammenden Architekten, der nach seiner Zeit am «Bauhaus» in Deutschland in den Vereinigten Staaten Karriere machte und in New York lebte. Breuer, damals schon fast 70, sagte zu und schuf im Seetal einen seiner bedeutendsten Sakralbauten. Sr. Martine wurde kurz vor Baubeginn Mitglied der Generalleitung des Ordens und später Generaloberin. Heute ist sie eine von noch rund 180 Schwestern.
Licht flutet durch die Räume
Das Mutterhaus Sonnhalde gilt als Pionierleistung seiner Zeit. Und steht für den Mut der Schwestern, ihre Visionen auch umzusetzen. Breuer durchsetzt Betonelemente mit Alpnacher Guberstein, lässt das Licht durch Räume und Gänge fluten und lenkt die Blicke nach draussen in die sanfte Landschaft.
«1961 war ich die vierzigste in unserem Schlafsaal.»
Sr. Martine Rosenberg
Für die Ordensgemeinschaft entspricht der Bau bis heute einer Architektur, die auch ihrer franziskanischen Spiritualität entspricht: Schlicht, auf Dauerhaftigkeit angelegt, Ruhe ausstrahlend. Möbel, Vorhänge oder Böden: Es sieht immer noch gleich aus wie vor 50 Jahren. Aufgeräumt, aber nicht kühl; modern, aber nicht vornehm.
Breuer habe stets das Schöne mit dem Praktischen verbinden wollen, sagt Sr. Martine. «Und er hat uns den Schnickschnack ausgetrieben», schmunzelt sie. «Die Tüllvorhänge und Spitzendeckchen im alten Bau mochte er nicht.» Daran halten sich die Schwestern bis heute.
Die Beständigkeit der Materialien , die Zweckmässigkeit der Anlage: Das passt zu Franz von Assisi, auf den sich die Baldegger Schwestern berufen. Dieser sei schliesslich so etwas wie der erste Umweltaktivist gewesen, sagt Sr. Marie-Ruth Ziegler, Nachfolgerin von Sr. Martine als Generaloberin. Die «Sonnhalde» wird seit zehn Jahren mit Fernwärme beheizt, der Landwirtschaftsbetrieb ist längst bio, und von den Stalldächern fliesst Sonnenstrom.