Sie lässt sich nicht unterkriegen
Der Armut und Gewalt setzt sie ihr Dasein und ihre Entschlossenheit entgegen. Versöhnung sei Knochenarbeit, sagt Schwester Christina Färber. Ihre Arbeit in Albanien ist für sie gleichwohl «ein Traumjob».
«Menschen als solchen begegnen: Sr. Christina Färber mit einem Mann, dessen Haus wegen einer Blutrache niedergebrannt wurde. Bild: zVg
Wer durch Dobrac geht, einen Vorort von Shkodra im Norden Albaniens, hält die Dinge womöglich für geregelt. «Doch wenn man genauer hinschaut, stimmt vieles nicht», sagt Sr. Christina (66): Müllabfuhr, Abwasser, Stromversorgung, Grundbuch und vieles mehr – alles mangelhaft. Sr. Christina spricht von einem «Leben in ständiger Unsicherheit» und weist auf die Korruption hin, die sich durch den albanischen Alltag ziehe: «Wer etwas will, muss dafür zahlen.» Vom Medikament beim Arzt bis zu guten Schulnoten.
«Zu rebellisch»
All dies vermengt sich mit der allgegenwärtigen Gewalt. Stichwort Blutrache, der Kanun, das Gewohnheitsrecht aus den albanischen Bergen. In diesem Umfeld setzt sich Sr. Christina, die 1999 aus Deutschland nach Albanien kam, gegen Armut und für eine bessere Gesundheitsversorgung ein. Sie gehört dem Orden der «Spirituellen Weggemeinschaft» an, lebt mit einer Mitschwester in einem 2002 gegründeten kleinen Kloster – und lässt sich nicht unterkriegen. Vergleicht man sie mit Mutter Teresa, winkt Sr. Christina ab und wirft ein: «Dazu bin ich zu rebellisch.» Die Ordensfrau in der schlichten Kutte erzählt davon, wie sie etwa beim Bürgermeister erreichte, dass eine neue Strasse nicht durch die Grundstücke wehrloser Bauern gelegt wurde. Und fügt an: «Man darf sich nicht vor jeder Autorität ducken.»
Sr. Christina fühlt sich Gewalt und Korruption gegenüber nicht machtlos. Sie erfährt, wie heilend es schon sein kann, «Menschen als solchen zu begegnen, sie ernst zu nehmen». Wenn sie zwischen Familien zu versöhnen versucht, die in Blutfehde stehen, hört sie zu und will verstehen. «Es geht nur über den Aufbau einer Beziehung. Das ist Knochenarbeit.» Da sind andererseits die «ganz kleinen Wunder», von denen die Ordensfrau spricht. Das stärkt. Sr. Christinas Energie scheint unerschöpflich. Es gehe ihr gut, sagt sie, sie habe einen Traumjob und könne sich nichts Schöneres vorstellen.
Junge wandern ab
Kleine Wunder: Die gibt’s auch in der Notfallstation der Gemeinschaft, in der jährlich um die 2000 Personen medizinische Hilfe finden. Sr. Christina, die auch Pflegefachfrau ist, baut ausserdem einen Spitexdienst auf. Sie berichtet von schwerkranken Menschen, die sie in ihren Wohnungen treffe, «abgemagert bis auf die Knochen». An häuslicher Pflege fehle es mitunter auch deshalb, weil viele der jungen Familienmitglieder das Land verlassen hätten.
Gesundheitsarbeit: Das ist derzeit ein Schwerpunkt der Weggemeinschafts-Schwestern in Albanien. Auch dabei sieht sich Sr. Christina immer wieder Opfern von Blutrache gegenüber. Sie spreche dann schon mal Klartext, «ich sage aber auch, komm halt rein und wir schauen weiter». Wichtig ist das, was gerade ansteht. Ohne Wenn und Aber.
Bundesverdienstkreuz erhalten
Schwester Maria Christina Färber weilte im November auf Einladung der Kirchgemeinde Emmen im Pastoralraum Emmen-Rothenburg, wo sie das Pfarreiblatt zu einem Gespräch traf. Emmen unterstützt derzeit ihre Arbeit in Albanien. So können zum Beispiel Kinder aus Familien, die von Blutrache betroffen sind, sichere private Schulen besuchen.
Sr. Christina wurde 2021 mit dem Bundesverdienstkreuz der
Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.