Wenn Mose am Dornbusch stottert
Die Frauen von BibelErz erzählen biblische Geschichten in ihrer je eigenen Sprache. Sie eröffnen damit neue Zugänge zu alten Geschichten.
Moni Egger erzählt die Geschichte vom brennenden Dornbusch im Toggenburger Dialekt. Bild: Sylvia Stam
«Ich cha doch n-n-n-öd eifach zum Ph-Ph-Pharao gah!?», entgegnet Mose der Stimme Gottes im Dornbusch entsetzt. In ihrem Toggenburger Dialekt erzählt Moni Egger, eine der Erzählerinnen von BibelErz, wie Gott «ziemli lang» mit Mose «hed müesse ume-chääre», bis dieser endlich Ja sagte zum Auftrag Gottes, die Israelit:innen aus Ägypten zu befreien.
Die zwölf Besucherinnen im Zelt auf der Pfarreiweise in Sempach hören der Geschichte aus dem Buch Exodus gebannt zu. Zwei weitere biblische Texte werden an diesem Abend auf individuelle Weise mit Leben gefüllt: In der Erzählung von Marie-Theres Rogger, Heilpädagogin, erzählt eine Vogelmama das Gleichnis vom Senfkorn ihrem Jungen nach. Und im Johannesprolog heisst es in den Worten von Katja Wissmiller: «Da lacht Gott aus vollem Herzen, und darauf war das Wort nicht gefasst.»
«Inhaltlich nah an der Bibel, wortwörtlich ganz in der eigenen Sprache», beschreiben die Erzählerinnen ihre Herangehensweise auf ihrer Website. «Wir möchten, dass dieses alte Kulturgut weitererzählt wird, sonst wird es irrelevant», erklärt Katja Wissmiller, die wie Moni Egger Theologin ist. Erzählen sei nicht nur eine alte Tradition, sondern ein biblischer Auftrag: «Erzählt es euren Kindern und Enkelkindern, heisst es mehrfach in der Bibel.»
Genaues Textstudium
Dass man sich beim freien Erzählen bisweilen vom Text entfernt und doch ganz biblisch erzählen kann, erfordert laut Wissmiller Phantasie und das genaue Studium von Text und Sekundärliteratur. «Was bedeutet es, wenn Mose in einer Passage sagt, er könne nicht gut reden? Ein stotternder Mose wäre möglich.» Darüber hinaus müsse der Text ihr etwas sagen, sonst könne sie nichts darüber erzählen, sagt Katja Wissmiller, die auch als Religionspädagogin tätig ist.
«Das steht in der Bibel?»
Auch bei Geschichten, die wie frei erfunden wirkten, seien Worte und Bilder biblisch inspiriert. In ihrer eigenen Erzählung des Johannesprologs etwa seien «viele Bilder über die Figur ‹Wort› aus den prophetischen Büchern, den Psalmen oder der Genesis entlehnt».
«Ach, das steht tatsächlich in der Bibel?» oder «Jetzt habe ich Ostern endlich verstanden!»: Solche Rückmeldungen zeigen den Erzählerinnen, dass diese Form neue Zugänge zum «Buch der Bücher» eröffnet, «auch bei Menschen, die kaum etwas mit der Kirche zu tun haben». Oder mit den Worten einer Zuhörerin an diesem Abend in Sempach: «Ihr sagt nicht, wie Gott ist. Ihr erzählt Geschichten. Aber Gott spricht aus euren Geschichten!»
In Schule, Pfarrei, Verein
Der Verein BibelErz vermittelt Erzähler:innen für Anlässe in Schulen, Pfarreien oder Vereinen. Die Erzählerinnen verfügen über ein Repertoire an Geschichten, gehen jedoch nach Möglichkeit auch auf konkrete inhaltliche Wünsche ein. Darüber hinaus fördert BibelErz die Kunst des freien Erzählens durch Weiterbildungen und Coachings.
bibelerz.ch