«Wir können etwas bewirken»
Die Luzerner Theologin Jacqueline Keune nimmt wöchentlich am Friedensgebet in der Lukaskirche Luzern teil. Regelmässig gestaltet sie dieses selbst, mit eigenen Texten. Nun ist daraus ein Gedichtband entstanden.
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Legende: Jacqueline Keune trägt im Friedensgebet in der Lukaskirche Luzern oft eigene Texte vor. zVg
Seit Beginn des Ukraine-Kriegs beten Sie jeden Mittwoch in der Lukaskirche Luzern um Frieden. Woher nehmen Sie die Energie durchzuhalten?
Jacqueline Keune: Es ist mir ein Herzensanliegen, zusammen mit anderen Menschen dort zu sein. Das Gebet hilft mir, mich nicht an diesen Krieg zu gewöhnen, mich nicht einfach abzufinden mit dem Unrecht.
Sie halten dem Elend in der Welt die christliche Verheissung entgegen. Der Buchtitel «Es werden wieder Tage sein» verspricht Hoffnung.
Das ist mir wichtig. In der Bibel gibt es diese verheissungsvollen prophetischen Texte von Jesaja, von Jeremia. Auch der Prophet Jesus von Nazareth sagt in der Bergpredigt: «Selig die Gewaltlosen. Selig die Sanftmütigen, sie werden das Land erben.» Ich verstehe das so: Das Land soll in den Händen derer liegen, die auf Gewalt verzichten. Es geht darum, das im Hier und Jetzt wahrzumachen. Auf das hin lese ich diese Texte, dass die, die jetzt von diesen Kriegen betroffen sind, noch etwas von diesem Anderen zu spüren bekommen.
Zweifeln Sie nie an dieser Verheissung?
Doch, manchmal schon. Es ist nicht immer einfach zu hoffen. Die Kräfteverhältnisse sind so ungleich. Männer wie Putin oder Trump sind mit einer ungeheuren Machfülle ausgestattet. Aber sie sind nicht allmächtig. Auch wir haben Anteil an der Macht, wir sind teilmächtig. Wir können etwas tun, etwas bewirken. Daraus schöpfe ich Hoffnung.
Was können wir denn konkret tun?
Wir können die Welt in jedem Moment zum Besseren verändern. Wir können mitfühlen, Anteil nehmen, nicht gleichgültig bleiben. Ich kann mitgestalten durch das, was ich bei Abstimmungen oder Wahlen ankreuze, ich kann an Demonstrationen teilnehmen, Unterschriften sammeln, mich schreibend zu Wort melden. Im Gebet oder in einer Predigt kann ich klar Stellung beziehen. Das tue ich. Ich spreche nicht einfach von Unrecht oder Krieg, sondern ich sage auch «Putin» oder «Trump». Ich wünschte mir auch von den Kirchen, sie würden das Unrecht mehr beim Namen nennen.
Was können die Kirchen tun?
Wer sich auf Jesus von Nazareth beruft, muss sich an die Seite der Kriegsopfer stellen. Wer, wenn nicht die Kirchen, soll an das Unrecht erinnern, das auf der Welt geschieht? Und zwar immer und immer wieder! Die Tragik der Kriege bräuchte von mir aus viel mehr Platz in unseren Liturgien. Aktuell nimmt in der kirchlichen Berichterstattung der Synodale Weg sehr viel Raum ein. Reformanliegen sind auch mir wichtig, aber sie sind nicht die Mitte der Kirche. Wir dürfen die Opfer dieser Kriege nicht vergessen. Vergessen zu werden, weil der Krieg schon so lange dauert, halte ich für den schlimmsten aller Tode. Das finde ich furchtbar.
In Ihren Gedichten klagen Sie auch an. Sie werfen Gott Ihre Wut hin. Hilft das gegen die Resignation?
Ja, wenn ich wütend bin und diesen Zorn aussprechen kann, hilft mir das sehr, nicht zu resignieren. Das Gebet ist für mich auch Ausdruck davon, wer für uns die eigentliche Macht ist. Wir rechnen noch mit einer ganz anderen Macht als jene, die sich selbst für die Mächtigsten der Welt halten.
Was nützt beten oder schreiben?
Wenn ich schreibe, predige oder bete, erinnere ich mich an das Unrecht, an die Kriege, an die Opfer. Das ins Bewusstsein zu rufen, ist mir wichtig. Mir hilft das Schreiben, die eigene Fassungslosigkeit zu fassen, und das, was die Sprache verschlägt, zu überwinden.
Haben Ihre Gebete und Texte auch eine Wirkung auf die Menschen in der Ukraine?
Ich hoffe, dass sie etwas davon spüren, dass Hunderttausende Menschen auf dieser Welt sie nicht vergessen haben und Kerzen für sie anzünden. Aber wenn ich mir vorstelle, dass ich irgendwo in einem Kellerloch in Charkiw sitze, wäre das für mich vermutlich kein Trost. Dann wünschte ich mir Sanktionen und politischen Druck auf Putin und Russland, und dass Waffen aus der ganzen Welt zu uns kämen, um uns zu verteidigen. Dennoch: Wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass Beten eine Wirkung hat, würde ich es nicht tun.
Hinweis: Friedensgebet: Jeden Mittwoch, 18 - 18.30, Lukaskirche Luzern
Buchvernissage in Luzern
Die Luzerner Theologin Jacqueline Keune liest Gedichte (und Gebete) zu spirituellen und gesellschaftlichen Themen mit einem Schwerpunkt zu Krieg und Frieden. Mit Musik von Albin Brun.
Do, 13.3., 19.00, Lukaskirche Luzern. Jacqueline Keune: Es werden wieder Tage sein. Texte zwischen Trümmern und Träumen. db-Verlag 2025