Wunder und Gwunder in Luthern Bad
In Luthern Bad fliesst seit 1581 Wasser, das auf Fürsprache der Mutter Gottes heilsam sein soll. Es zieht bis heute viele Menschen an. Gläubige und Sportler*innen erzählen, weshalb sie das «Badbrünnli» aufsuchen.
Erfrischung für die Füsse: das Kneipp-Bad. Bild: Martin Dominik Zemp
Es herrscht reger Betrieb an diesem Sonntagvormittag beim Badbrünnli in Luthern Bad: Zu beiden Seiten des überdeckten Brunnens brennen schon vor der Messe gut dreissig Kerzen. Immer wieder kommen Menschen vorbei, meist zu zweit. Eine dunkelhaarige Frau mittleren Alters läuft zielstrebig auf das Badbrünnli zu, in der Hand hat sie einen kleinen Strauss Rosen. Sie stellt die Blumen in eine Vase neben der Marienstatue über dem Brunnen und verweilt einen Moment in Stille. Dann taucht sie den Finger ins Wasser und berührt die Statue damit, ehe sie einige mitgebrachte Flaschen mit dem Wasser füllt.
«Die Wirkung kommt von Gott.»
Emil Schumacher
Inzwischen ist auch ihr Mann eingetroffen. Er taucht seine Unterarme mehrmals bis zu den Ellenbogen in das Wasser. «Wir kommen ein- bis zweimal pro Monat hierher», erzählt die Frau mit spanischem Akzent. Sie wohnen in der Nähe von Willisau, eine knappe halbe Stunde entfernt. «Ich bin Diabetikerin, mir geht es besser, wenn ich das Wasser trinke», sagt sie.
Von Flechten geheilt
«Ich hatte Flechten an beiden Ellenbogen», erzählt ihr Mann im Luzerner Dialekt. «Seit etwa einem Jahr komme ich hierher und tauche die Arme ins Wasser. Schauen Sie: Die Flechten sind weg!» Tatsächlich sind an seinen Ellenbogen lediglich hellrote Flecken sichtbar. Schreibt er diese Genesung der Heilkraft des Wassers oder der Fürsprache der Mutter Gottes zu? «Es braucht beides», entgegnet er ohne Zögern.
Wallfahrtskaplan Emil Schumacher betont, die Fürsprache Mariens sei wichtig. | Bild: Martin Dominik Zemp
Keine Magie
«Wenn die ganze Wirkung allein vom Wasser erwartet würde, könnte man genauso gut nach Zurzach gehen», sagt Emil Schumacher. Der 85-Jährige ist seit 2005 Wallfahrtskaplan in Luthern Bad. Als solcher feiert er Andachten und Messen mit auswärtigen Pilgergruppen, die ohne eigene geistliche Begleitung kommen. Der Begriff «Magie» gefällt ihm im Zusammenhang mit der heilsamen Wirkung des Wassers nicht. Er stellt klar: «Es hört auf, Magie zu sein, sobald ein Zusammenhang mit der Fürsprache der Mutter Gottes besteht. Die Wirkung kommt von Gott», so der Priester. Mehrfach betont er, dass es lediglich um die «Fürsprache Mariens» gehe, auch wenn im Volk bisweilen der Eindruck vorherrsche, dass Maria selber wirke, sagt er lachend. Er selbst hat die heilsame Wirkung des Wassers nicht erfahren, aber er erzählt, wie sein Cousin als Zweijähriger mit Starrkrampf im Spital lag. «Eine Tante holte Wasser aus Luthern Bad. Was weiter geschah, weiss ich nicht, aber das Kind hat überlebt», sagt er, und lässt bewusst offen, was genau zu dieser Heilung geführt hat. In der Wallfahrtskirche hängt jedenfalls eine Votivtafel als Dank für die Genesung des Jungen.
Offen für das Geheimnis
Meist erkennt man schnell, ob die Leute am Brunnen Wanderer*innen sind, die zufällig vorbeikommen, oder Gläubige, die den Ort bewusst aufsuchen. Letztere verweilen länger, zünden Kerzen an, bekreuzigen sich oder gehen in die Kapelle, ehe sie Wasser abfüllen. Gemeinsam ist allen ein Respekt und eine Offenheit für das letztlich Geheimnisvolle dieses Ortes. «Es hat gut getan», sagt beispielsweise ein junger Wanderer aus dem Thurgau, und zeigt auf die Blase an seinem Zeh. Er hat den Fuss am Vorabend ins Wasser getaucht. «Nützt’s nüd so schad’s nüt», sagt seine Begleiterin schmunzelnd.
Manche füllen das Wasser gleich flaschenweise ab. | Bild: Martin Dominik Zemp
Kraft schöpfen
«Es gibt einem einfach Kraft», sagt eine Frau, die beim Laufen leicht hinkt. Ihr Mann und sie sassen zuerst lange in der Gnadenkapelle. «Wir trinken das Wasser und reiben es ein, wenn wir Schmerzen haben», erklärt sie. Ausserdem habe sie in der Kapelle eine Kerze angezündet, «für ein Grosskind, das Leukämie hat», sagt sie, den Tränen nahe, nickt und läuft zielstrebig zum Auto.
«Nützt’s nüd, so schad’s nüt!»
Eine Wanderin
Seit 2018 befindet sich hinter der Gnadenkapelle ein Arm- und Fussbad zum Kneippen. Auch dieses zieht Gläubige und Sportler*innen gleichermassen an. Der moderne Raum erinnert an eine Kapelle und an ein Thermalbad zugleich. Im anthrazitfarbenen Mittelschiff mit einer zum Himmel geöffneten Kuppel steht ein langgezogener Marmorbrunnen. Links und rechts davon führen drei Stufen je zu einem runden Becken, in dem man herumgehen oder nur die Füsse baden kann. Sechs Grad sei das Wasser, steht auf einem Schild.
Hier kennt man die Geschichte
Drinnen kühlt eine Bikerin ihre Füsse, die ihr Velo an die Kapelle gelehnt hat. «Ich fahre oft hierher, weil es mir nicht so gut geht», erzählt sie, und ihre Stimme bricht einen Moment. «Ich spüre wenig von der heilenden Wirkung, aber ich bin suchend und hoffend.» Für sie geht es dabei nicht nur um die Heilkraft des Wassers: «Es ist der Ort und es ist das Wasser», sagt sie. Wie sie stammen viele Besucher*innen an diesem Sonntag aus der Gegend, dem Luzerner Hinterland. Hier kennt man die Geschichte von Luthern Bad und seinem Heilwasser, wie ein junger Mann bestätigt, der mit seinen beiden Knaben durch die Becken läuft. «Meine Grossmutter hat hier jeweils Weihwasser geholt», erinnert sich seine Frau. Sie selber jedoch seien ohne tieferen Beweggrund hier. Ob Neugier, Glaube, Hoffnung – ihr Mann fasst treffend in einem Wort zusammen, was für die meisten Besucher*innen von Luthern Bad gelten dürfte: «Aus Gwunder». Ob er sich der Doppeldeutigkeit des Begriffs bewusst ist, bleibt offen…
Die Gnadenkapelle mit dem Badbrünnli (rechts). Bild: Martin Dominik Zemp
Von der Gicht geheilt
Der Legende nach erschien Jakob Minder 1581 die Gottesmutter im Traum. Sie riet ihm, hinter seinem Haus nach Wasser zu graben. Durch das Waschen mit dem Wasser werde er von der Gicht befreit. Und so soll es geschehen sein.Die Kunde vom heilenden Wasser verbreitete sich rasch. Sogar der deutsche Kaiser sandte Boten ins Luthertal. Die Anziehungskraft des Wallfahrtortes hält bis heute an. An der Stelle der ersten Quelle steht heute auf einem runden Platz das Badbrünnli, links daneben die Gnadenkapelle. Von der Kapelle führt ein kurzer Weg zum Arm- und Fussbad, das 2018 in den Hang hineingebaut wurde. Kapelle, Brunnen und Bad liegen leicht erhöht ausgangs des Dorfes. Im Dorfzentrum steht die Wallfahrtskirche. Über deren Altar prangt eine schwarze Madonna in einem Sternenkreis. Im Vorraum der Kirche erzählen zahlreiche ältere und jüngere Votivtafeln von Heilungsgeschichten. Auf Karten und Zetteln halten heutige Pilger*innen ihre Anliegen fest.