Zur Begrüssung ein Handschlag
Im Treffpunkt Stutzegg stehen Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben, im Mittelpunkt. Hier finden sie Gemeinschaft, Kaffee und ein offenes Ohr. Seit 25 Jahren.
«Jeder Gast fühlt sich im Mittelpunkt», sagt ein regelmässiger Besucher des Stutzegg in Luzern. Bild: Jutta Vogel
«Ich schätze die persönlichen Gespräche, bei denen ich mich ernst genommen fühle», sagt Chili* (66). Eva* (51) kommt auch wegen des guten Kaffees in den Stutzegg. Jürg* (62) fühlt sich hier «wie in einer grösseren Familie». «Unsere Gäste leben am so genannten ‹Rand der Gesellschaft›», sagt Michael Merkle, stellvertretender Leiter des Treffs. «Eigentlich leben sie mitten in der Gesellschaft, jedoch oft isoliert.» Viele beziehen eine IV-Rente, meist aufgrund psychischer Erkrankung. «Unsere Gäste werden oft nicht für voll genommen.»
Im Stutzegg können sie einfach sein, einen Kaffee trinken, sich unterhalten, Spiele machen, ein einfaches Essen bekommen. Gemeinschaft sei das, was die meisten hier suchten, sagt Merkle. Nicht alleine sein. Manche Gäste seien schwieriger als andere, auch könne es ab und an einmal laut werden, weil jemand hier erst mal «abladen» müsse. Doch «die Polizei brauchen wir hier nicht», sagt Hans Sutter, Co-Präsident des Vereins.
Sich auf Augenhöhe begegnen
Den Gästen, wie die Besucher:innen hier genannt werden, auf Augenhöhe zu begegnen, ist denn auch die Grundhaltung von Team und Freiwilligen. «Wir fragen keinen: ‹Was schaffsch?›, obschon nicht wenige einen geschützten Arbeitsplatz haben.» Auch würden keine Dossiers geführt. Team und Freiwillige hätten eher eine abwartende Haltung, die Gäste würden von sich aus erzählen. «Jeder Gast fühlt sich im Mittelpunkt», bestätigt Chili. Alle seien gleichgestellt, egal welche Hautfarbe oder Religion sie hätten. Geburtstage werden hier ebenso gefeiert wie Weihnachten, es gibt eine Schreinerwerkstatt, Nähmaschinen und Angebote für Meditation oder Yoga.
Das Evangelium leben
Darüber hinaus gibt es gemeinsame Ausflüge, etwa eine Schifffahrt oder zur Vogelwarte Sempach. Diese «andere Form des Zusammenseins» sei wichtig, betont Hans Sutter, «sie belebt auch die Atmosphäre im Haus.»
Die Spiritualität, einer der Grundpfeiler des Stutzegg, ist unter den Gästen wenig Thema. Doch ihnen sei bewusst, dass die Kirche das Haus mitfinanziere.
«Das Evangelium soll man nicht predigen, sondern leben», zitiert Merkle einen Grundsatz des Stutzegg. Dies wird besonders in der Willkommenskultur sichtbar: Zur Begrüssung und beim Abschied gibt das Team jedem und jeder die Hand. Sylvia Stam
*Namen geändert
Ein besonderes Gasthaus
Der Treffpunkt Stutzegg liegt an der Ecke Bern-/Baselstrasse in Luzern. Er wurde 1998 unter dem Patronat der Spitalschwestern gegründet. Geführt wird er vom Verein Hôtel Dieu. Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben, jedoch nicht drogenabhängig sind, finden hier Gemeinschaft, Kaffee und eine Mahlzeit. Vier Teilzeit-Angestellte und 25 Freiwillige sind für die rund 150 Gäste aus Stadt und Agglomeration da: Mittwoch bis Samstag nachmittags, sonntags auch vormittags. Der Treffpunkt finanziert sich durch Spenden.