Zwischen Verehrung und Talisman

1522 wurde in Luzern die erste reformatorische Predigt gehalten. Zum Auftakt von «500 Jahren Reformation in Luzern» zeigt die Lukaskirche Luzern eine Reliquienausstellung.

Von Carmen Schirm-Gasser |  14.03.2022

Ein Klappaltärchen für die private Andacht, mit Reliquien des heiligen Johannes von Nepomuk. Bild: zVg

Wenn Urs-Beat Frei einen Vortrag über Reliquien hält, dann scheint es, als hauche er toten Objekten Leben ein. Im März zeichnet der Konservator des Stiftsschatzes in der Luzerner Hofkirche verantwortlich für eine kleine Ausstellung von Reliquien im Vorraum der Lukaskirche.

Holz vom Kreuz Christi

Die Ausstellung gehört zu einer Veranstaltungsreihe der reformierten Kirche Stadt Luzern, die sich dem Thema «500 Jahre Reformation in Luzern» widmet. Bekanntlich war die Verehrung von Reliquien einer der Kritikpunkte der Reformation. Zu sehen sein werden ungefähr 20 Reliquiare, also Behältnisse mit Reliquien, wobei die meisten aus dem 17. und 18. Jahrhundert stammen. Als Besonderheit befindet sich darunter auch eine Replik der Zunge des heiligen Johannes von Nepomuk (um 1350–1393). Eine weitere Besonderheit der Ausstellung sind Holzpartikel vom (angeblichen) Kreuz, an das Christus geschlagen wurde. Ein bischöfliches Echtheitszertifikat aus dem 18. Jahrhundert will diese Herkunft belegen. Der Legende nach soll die heilige Helena im 4. Jahrhundert das wahre Kreuz in Jerusalem gefunden haben. Daraufhin wurden Partikel desselben zunächst vor allem an wichtige Kirchen und Klöster verteilt, später kamen solche zahlreich in Umlauf.

Kunstvoll gefertigt

«Heutige Menschen mögen es seltsam empfinden, Reliquien – meistens sind das Knochenteile – anzuschauen», sagt Urs-Beat Frei. «Dabei sind die meisten aussergewöhnlich schön ‹gefasst›, sie wurden zum Teil von Goldschmieden, aber auch sehr oft in Klöstern kunstvoll verarbeitet.» Die irdischen Überreste von Heiligen sollten würdevoll aufbewahrt und vorgezeigt werden. «Diese Tätigkeit hatte in den Klöstern einen stark meditativen Charakter.» Gewisse Reliquien trug man auch auf sich, in der Innerschweiz etwa in kleinen gedrechselten Dosen im Hosensack, und glaubte, dadurch beschützt zu sein. «Ein Grenzbereich, wo Glaube in Aberglauben kippen kann», so Frei.

Moderne Reliquien

Im Mittelalter mündete die starke Heiligenverehrung fast in Vielgötterei. Dagegen stemmte sich die Reformation. Luther, Calvin und Zwingli lehnten die Heiligenverehrung ab. Und überraschend schlägt Urs-Beat Frei einen Bogen in die Gegenwart und fragt: «Was ist das teuer bezahlte Trikot eines Fussballstars oder das Accessoire eines Musikidols anderes als eine Art säkularisierte Reliquie?»

Erstpublikation im ref. Kirchenboten
 

Erste reformierte Predigt

Im März 1522 wurde in Luzern die erste reformatorische Predigt gehalten. Eine der Veranstaltungen rund um dieses Jubiläum ist eine Ausstellung in der Lukaskirche Luzern: Exponate einer privaten Reliquiensammlung werden an den Sonntagen vom 6. bis 27. März vor und nach den Gottesdienstzeiten im Vorraum der Kirche ausgestellt.

Kommentierung der Reliquien durch 
Urs-Beat Frei am Di, 15.3., 14–16 Uhr | 
Sa, 19.3., 10–12 Uhr | Di, 22.3., 19.30–
21.30 Uhr | Gemeindezentrum Lukas, Luzern | Info und Anmeldung: sekretariat.
stadtluzern@reflu.ch, 041 227 83 21